Kampf unter Brüdern
Hidde lebt für seine Insekten. Doch dann stellt Jeppe Ansprüche
Simon van der Geest & Karst-Janneke
Rogaar: Krasshüpfer
Ist das nicht nicht ein wenig heftig für den Beginn eines Kinderbuches? „Wenn du das hier gelesen hast, gibt es keinen Weg zurück. Du musst wissen, dass ich dich in unseren Krieg mit hineinziehe“, heißt es auf der ersten Seite. Und so viel vorneweg: Es geht zur Sache im Kinderbuch des niederländischen Autors Simon van der Geest. „Krasshüpfer“handelt von einem Zwist unter Brüdern, der tatsächlich „krasse“Ausmaße annimmt. Dennoch ist dies ein Buch für Kinder, – ein ungewöhnliches und äußerst gelungenes, um es ebenfalls vorweg deutlich zu machen, und so findet die Auseindersetzung schließlich zu einer versöhnlichen Lösung.
Ich-Erzähler Hidde ist elf Jahre alt und lebt für seine Insektensammlung. Stabheuschrecken und Grashüpfer, Grillen, Raupen, einen seltenen goldglänzenden Rosenkäfer, eine Gottesanbeterin namens Jackie Chan und einiges mehr hat er gesammelt. Eine eigene Welt hat er in den Terrarien für sie geschaffen, sie mit Zweigen, Sand, Erde und Muscheln eingerichtet, Lämpchen anmontiert, Leitern gebastelt und einen alten Eisenbahntunnel zum Kletterfelsen umfunktioniert. Täglich steigt er in den Keller unter dem Schuppen, von dem nur er und sein Bruder Jeppe wissen, versorgt die Tiere und beobachtet ihre Lebensgewohnheiten. Doch dann die Katastrophe: Jeppe beansprucht den Keller für sich, will dort sein Schlagzeug aufstellen, um ungestört üben zu können.
Damit gerät Hiddes Welt ist aus den Fugen, denn der Keller mit seiner Insektensammlung ist für den Elfjährigen sein Refugium: Freunde hat der Junge nicht, die alleinerziehende Mutter ist oft nicht zu Hause und dann ist da noch der Tod des ältesten Bruders Ward. Er war krank und ist nach einem epileptischen Anfall gestorben – ausgerechnet in dem geheimen Keller, den die drei Brüder kurz vorher entdeckt hatten. Das Drachenbild, das Ward an eine der Wände gemalt hat, ist nicht mehr ganz fertig geworden und erinnert Hidde nun täglich an seinen toten Bruder.
In seinem Tagebuch macht der Junge den Leser in der direkten Ansprache zum Komplizen der Ereignisse. Natürlich will er Jeppe sein Reich nicht kampflos überlassen. Schließlich gibt es ja einen „Deal“zwischen ihm und dem Bruder, dass der Keller Hidde gehört. Die Abmachung beruht auf einem Geheimnis, dessen Offenlegung für Jeppe sehr unangenehm werden könnte.
Simon van der Geest, der für dieses Buch in seiner Heimat mit dem Goldenen Griffel ausgezeichnet wurde, erzählt die spannende Geschichte so erfrischend wie abwechslungsreich und gibt dem Buch bei aller Dramatik viel Witz in kuriosen und originellen Passagen. In seiner Leidenschaft für die Insekten zeichnet er Hidde als liebenswerte und einfühlsame Figur. Die Tiere werden für ihn zum Spiegel für das Verhalten seiner Mitmenschen: „Er ist nur gekommen um mir Angst zu machen. Das kenne ich, bei Insekten heißt das Imponiergehabe. Eine Wespe wackelt mit dem Stachel. Ein Hirschkäfer schneidet mit seinen Kieferzangen durch die Luft. Jeppe stemmte die Hände in die Seiten.“
Eine der Stärken dieses Buches ist der unmittelbare Blick in Hiddes Gedankenwelt, die der Autor ebenso ernst nimmt wie den Kampf der beiden Brüder. Nichts beschönigt er an den Gefühlen, die Hidde für Jeppe hegt. Nichts auch an der Auseinandersetzung, die immer heimtückischer und verletzender wird. Die Dramatik in der Sprache ist frei von jeder Ironie, für die beiden Jungen ist der Streit existenziell. Denn letztendlich geht es um viel mehr geht als einen Keller und ein paar Insekten: Die Familie ist nach dem Tod Wards aus dem aus dem Gleichgewicht geworfen. Hidde spürt, dass das Schweigen immer größere Gräben zwischen ihm, Jeppe und der überforderten Mutter zieht. Er begreift, dass er seine Last – das Geheimnis – loswerden muss. Zurück kann man tatsächlich nicht mehr, wenn man einmal mit der Lektüre begonnen hat, dafür ist das Buch zu gut. David Walliams &
Tony Ross: Gangsta Oma