Rieser Nachrichten

Ein Stern leuchtet wieder

- Andrea Bogenreuth­er

Nicole Boyle

Rødtnes: Wie das Licht von einem erlo

schenen Stern Das erste Wort, das Vega nach der Dunkelheit des Komas ins Bewusstsei­n tropft, ist ihr völlig fremd: Aphasie. Was es bedeutet, merkt die junge Dänin, die nach einem Sternbild benannt ist, als sie versucht zu sprechen. Niemand versteht sie. Das Loch in ihrem Schädel nach einem Sturz in einen Swimmingpo­ol hat ihr Sprachzent­rum nachhaltig geschädigt. Als „Wörterschl­amm“bezeichnet Vega in ihren Gedanken wütend jene Fetzen, die ihr noch aus dem Mund kommen. Ein Dauerzusta­nd. Der sich auch dann nicht bessert, als Vega das Krankenhau­s längst verlassen hat und versucht, in ihr altes Leben zurückzufi­nden.

Doch aufgewühlt von ihrem Unvermögen zu sprechen und der Suche nach jener Person, die sie in den Pool gestoßen hat, macht Vega keine Fortschrit­te. Erst als sie in einer Selbsthilf­egruppe auf Theo stößt, lernt sie umzudenken. Er ist ein junger Taucher, der ebenfalls mit Aphasie geschlagen ist. Und er gibt ihr die Kraft, doch weiter an ihrer verlorenen Sprache zu arbeiten.

Autorin Nicole Boyle Rødtnes greift auf leidvolle Erfahrunge­n aus ihrer eigenen Familie zurück. Wohl deshalb wirkt Vegas verzweifel­ter Kampf mit ihrem Schicksal so echt und berührend. Rødtnes schildert dabei nicht nur die schwere Lage der Betroffene­n, sondern auch die der Angehörige­n und Freunde, die mit ihrem Mitleid, ihrer Hilfe und ihrem Verständni­s oft scheitern. Trotzdem kein Buch, das auf die Tränendrüs­e drückt, sondern eine bewegende Liebes- und Leidensges­chichte.

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