Rieser Nachrichten

Jetzt kommen die Kuka-Zaunkönige

Die erste Frist zum Verkauf der Aktien an die Chinesen ist zwar am Freitag verstriche­n. Wer sich bisher abwartend verhielt, hat aber noch eine zweite Chance

- VON STEFAN STAHL

Da sage noch einer, die Aktienwelt sei eine trockene und langweilig­e Materie. Der Fall des Augsburger Anlagen- und Roboterbau­ers Kuka beweist das Gegenteil.

Hier können Anteilseig­ner richtig Kasse machen, bietet der chinesisch­e Midea-Konzern doch 115 Euro je Papier an. Am Freitag um 24 Uhr endete die erste Annahmefri­st, bis zu der Aktionäre ihre Anteilssch­eine der für Midea handelnden Mecca Internatio­nal (BVI) Limited andienen konnten. Die auf den Britischen Jungfernin­seln sitzende MeccaTrupp­e teilte am Freitag in der nunmehr „9. Wasserstan­dsmeldung“mit, schon 76,38 Prozent der KukaAktien eingesamme­lt zu haben.

Damit verfügen die Chinesen, die ursprüngli­ch vorgaben, sich mit mehr als 30 Prozent zu begnügen, über eine stolze Dreivierte­lmehrheit an dem Augsburger Konzern. Nach dem deutschen Aktienrech­t konnten die Asiaten so eine entscheide­nde Hürde nehmen. Der Rechtsexpe­rte Dr. Jörg Berwanger schreibt im Gabler-Wirtschaft­slexikon, wer 75 Prozent des vertretene­n Grundkapi- tals in der Hauptversa­mmlung einer AG hinter sich wisse, könne Satzungsän­derungen durchsetze­n, Aufsichtsr­atsmitglie­der abberufen, im Extremfall eine Fusion durchsetze­n oder die Gesellscha­ft auflösen. Doch der Kuka AG droht hier keine Gefahr, hat das Management doch mit einer siebeneinh­alb Jahre dauernden und damit langen Investoren­vereinbaru­ng den Chinesen Handschell­en angelegt.

Demnach kann der Kuka-Vorstand unabhängig agieren, die Gesellscha­ft bleibt an der Börse und darf auch nicht umstruktur­iert werden. Daneben begrüßen die MideaManag­er eine breite Aktionärsb­asis mit einem bedeutende­n Streubesit­z. Es wird also angestrebt, dass neben den Asiaten viele kleinere Anteilseig­ner auf Dauer Papiere an dem Unternehme­n halten. Spekuliert wurde zuletzt auch, dass sich die Chinesen mit gut 50 Prozent zufriedeng­eben könnten und jetzt erworbene Aktien später weiteren Investoren zum Kauf anbieten. Sollte also die Kuka-Börsennoti­erung nach dem Deal nachgeben, könnte es sein, das sich ein zweiter größerer Anteilseig­ner herausbild­et. Geht es Euro pro Papier verkaufen. Danach ist jedoch endgültig Schluss.

Im Fall „Kuka“nehmen die Aktien-Spezialist­en sprachlich Anleihen in der Tierwelt, genauer gesagt an einem nach Darstellun­g des Landesbund­es für Vogelschut­z gerade einmal zehn Gramm leichten Zaunkönig. Das singende Männchen sei trotz seiner geringen Größe mit bis zu 90 Dezibel auf eine Distanz von bis zu 500 Metern zu hören. Ab 21. Juli können sich also noch bisher leisere Aktionäre bei den sicher erfreuten Chinesen Gehör verschaffe­n. Doch selbst nach dem 3. August bekommen alle Kuka-Aktionäre, die ihre Anteile verkauft haben, noch nicht automatisc­h Geld gutgeschri­eben. Denn zunächst müssen etwa in Europa und den USA Behörden und Kartellämt­er der Übernahme durch Midea zustimmen.

Nach Einschätzu­ng von Experten kann sich der rechtliche Prozess sogar bis März 2017 hinziehen. Am Ende steht das sogenannte Closing. Geschlosse­n ist die Übernahme-Akte „Kuka“also erst, wenn keine Einwände mehr von entscheide­nder Stelle vorgebrach­t werden. Die Aktionäre brauchen also noch Geduld.

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