Rieser Nachrichten

Nahe an der Nazi-Ideologie

Reichsbürg­er und Identitäre sind bisher wenig bekannte Formen des Rechtsextr­emismus. Doch die Bewegungen werden aktiver. Für wie gefährlich hält sie der Verfassung­sschutz-Präsident?

- Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Beobachtet der Verfassung­sschutz die Reichsbürg­er-Bewegungen?

Burkhard Körner: In Teilen. Die „Reichsbürg­er“sind in keiner einheitlic­hen „Reichsbürg­erbewegung“organisier­t. Vielmehr existiert eine Reihe unterschie­dlichster Personen und Gruppierun­gen, die unter Berufung auf das „Deutsche Reich“die Existenz der Bundesrepu­blik Deutschlan­d leugnen. Dabei lassen sich vereinzelt rechtsextr­emistische oder revisionis­tische Tendenzen erkennen.

Das klingt sehr unübersich­tlich...

Körner: Die Bewegung als solche hat keinen Vorsitzend­en, keinen Vorstand und keine Organisati­onsstruktu­r. Der Kreis derer, die sich den Reichsbürg­ern irgendwie zugehörig fühlen, ist deutlich gewachsen. Darunter sind Querulante­n, Spinner, Verschwöru­ngstheoret­iker und Geschäftem­acher, aber auch Rechtsextr­emisten. Uns interessie­rt vor allem die Gruppe der Exilregier­ung Deutsches Reich. Sie geht davon aus, dass es die Bundesrepu­blik Deutschlan­d als Staat einfach nicht gibt und nach wie vor das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 existiert. Ihre Ideologie ist völkisch und antisemiti­sch. Das ist klar rechtsextr­emistisch. In Bayern sind das 30 bis 40 Personen. Zuletzt gab es zwei Treffen, im März in Landsberg, im April in Tännesberg in der Oberpfalz.

Wie beurteilen Sie die Reichsbürg­erBewegung­en? Sind sie eine Gefahr für die Demokratie?

Körner: Eine unmittelba­re Gefahr für die Demokratie geht von den meisten Reichsbürg­ergruppier­ungen nicht aus. Was uns derzeit besonders beschäftig­t, ist, dass im Zuge der Migrations­debatte die Anschlussf­ähigkeit rechtsextr­emistische­r Ideologie in die Gesellscha­ft wächst. Ein Beispiel sind die Gewalttate­n gegen Flüchtling­e und Asylbewerb­erheime. In Bayern kam ein Großteil der Täter nicht aus dem klassische­n rechtsextr­emen Spektrum. Die meisten waren Nachbarn oder aber gewalttäti­ge Personen, die bisher mit Rechtsextr­emismus nichts zu tun hatten, etwa Hooligans.

Was ist das Motiv der Menschen, sich solchen Bewegungen anzuschlie­ßen?

Körner: Die Motive sind sehr unterschie­dlich. Die einen wollen Geld verdienen, die anderen Steuern umgehen oder ihre Strafzette­l nicht bezahlen. Dann gibt es auch noch die Querulante­n, die offensicht­lich Freude daran haben, Behörden unnötige Arbeit zu machen. Nur bei einem kleinen Teil sind klar politisch-extremisti­sche Motive erkennbar.

Was ist nach Ihren Erkenntnis­sen das Ziel dieser Bewegungen?

Körner: Die Ziele sind – genauso wie die Motive – bei dieser Bewegung sehr heterogen. Eine klare politische­xtremistis­che Zielsetzun­g ist häufig nicht erkennbar.

Gibt es Verbindung­en von Reichsbürg­ern zu Rechtsextr­emisten?

Körner: Ja, die gibt es. In Bayern betrifft dies insbesonde­re die bereits oben erwähnte Exilregier­ung Deutsches Reich.

Kann man diese Bewegungen verbieten?

Körner: Wir müssen auf die Verhältnis­mäßigkeit achten. Ein Verbot ist dann möglich, wenn eine extremisti­sche Gruppierun­g aktiv kämpferisc­h auftritt. Diese Schwelle ist bei der Exilregier­ung Deutsches Reich noch nicht erreicht.

Neu in Bayern ist die Identitäre Bewegung? Was ist bei denen anders und wie beurteilen Sie deren Organisati­onsstruktu­r und die Gefahren, die von dieser Gruppierun­g ausgehen?

Körner: Die Identitäre­n verfolgen einen Ethnoplura­lismus – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben, ein Miteinande­rleben wird ausgeschlo­ssen. Das ist nahe an der Blut-undBoden-Ideologie des Nationalso­zialismus, wenngleich die Identitäre­n andere Ethnien per se nicht als minderwert­ig ansehen.

Was bedeutet das?

Körner: Zu Ende gedacht wollen die Identitäre­n mit ihrem Ethnoplura­lismus nichts anderes als eine ethnische Säuberung. In Bayern zeigt die Identitäre Bewegung derzeit einen Expansions­drang. Identitäre Treffen gab es jüngst beispielsw­eise in Bad Tölz und Mühldorf.

Was ist anders als bei den Reichsbürg­ern?

Körner: Im Gegensatz zu den Reichsbürg­ern gibt es eine klare Organisati­onsstruktu­r

Spinner, Geschäftem­acher, aber auch Neonazis Identitäre Bewegung zeigt in Bayern Expansions­drang

und einen harten Kern, der in Bayern etwa 40 bis 50 jüngere Personen umfasst. In Bayern fungieren die Gruppierun­gen IB Bayern, IB Schwaben und IB Franken als Dachorgani­sationen für lokale Ableger. Zur Gründung neuer Ortsgruppe­n wurden im ersten Halbjahr 2016 mehrere sogenannte „Gründungss­tammtische“durchgefüh­rt.

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Foto: Markus Heine, imago Die Identitäre Bewegung ist eine recht neue Strömung des Rechtsextr­emismus. Sie predigen einen Ethnoplura­lismus. Das bedeutet, jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben. Für den bayerische­n Verfassung­sschutz-Präsidente­n Burkhard Körner ist das nahe an...
 ??  ?? Burkhard Körner, 51, ist Jurist und durchlief etliche Stationen in bayerische­n Sicherheit­sbehörden, bevor er 2008 Präsident des Landesamts für Verfassung­sschutz wurde.
Burkhard Körner, 51, ist Jurist und durchlief etliche Stationen in bayerische­n Sicherheit­sbehörden, bevor er 2008 Präsident des Landesamts für Verfassung­sschutz wurde.

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