Ingenieure in Israel verknüpfen zwei Welten
Orthodoxe Juden dürfen am Sabbat nicht schreiben und keine elektronischen Geräte einschalten. Wie das mit dem modernen Leben in Einklang zu bringen ist, erforscht ein Institut in der Nähe von Jerusalem
Metalldetektoren sind in Israel vielerorts selbstverständlich, und wer schwer krank wird, ist auf seine Atemmaschine angewiesen. Doch wer als orthodoxer Jude diese Technik nutzen will, muss aufpassen, das er das Gesetz Gottes nicht bricht. Denn als Gott den Israeliten die Ruhe am siebten Tag der Woche, dem Sabbat, gebot, hatten die Gläubigen weder Glühbirnen noch Aufzüge im Blick. Es folgten viele Diskussionen – mit dem Ergebnis, dass es im orthodoxen Judentum heute als verboten gilt, elektrische Geräte am Sabbat einzuschalten.
Rabbiner Binyamin Zimmerman, 37, sagt: „Schöpferische Akte sind nicht erlaubt.“Gott ruhte am siebten Tag der Schöpfung, also darf auch der Mensch an diesem Tag nicht kreativ werden. Zimmerman gehört zu einem Team aus 13 Wissenschaftlern, das am Zomet-Institut erforscht, wie sich religiöse Lehren und moderne Technik zusammenbringen lassen. Der Rabbi legt einen Schalter um, so dass die Glühbirne rot aufleuchtet. Wie ein Physiklehrer erklärt er den Stromkreislauf und sagt: „Das Schließen dieses Kreislaufs ist der schöpferische Akt, der verboten ist.“
Die Lösung für Metalldetektoren und Asthmagerät ist vergleichsweise simpel: Der Stromkreislauf muss bereits vor Sabbatbeginn geschlossen sein. Lediglich die Intensität des Stroms wird erhöht oder gesenkt. So basteln die Ingenieure in der Werkstatt des Instituts an Rollstühlen und Elektroschlössern, die sich in den „Sabbat-Modus“schalten lassen.
und Moderne stehen sich in Israel mitunter unversöhnlich gegenüber. In ultraorthodoxen Stadtvierteln Jerusalems wie Mea Shearim funktioniert das Leben oft wie in vergangenen Jahrhunderten. „Wir wählen den anderen Weg“, sagt Sefi Appel. Der 27-Jährige führt Besucher durch die Ausstellung des Zomet-Instituts. Wörtlich heißt der Zomet „Kreuzung“. Die Kreuzung zwischen orthodoxen Regeln und moderner Technik liegt eine halbe Autostunde von Jerusalem entfernt. Drähte, Metallplatten und Elektroden liegen neben religiösen Büchern auf den Schreibti- schen der Techniker. Man arbeitet hier mit und nicht gegen die Tradition. Der Gründer des Instituts, das seit knapp 40 Jahren besteht, war beides, Rabbi und Ingenieur.
Seitdem ist hier kaum eine technische Frage nicht mit religiösen Augen betrachtet worden. Können aus Stammzellen hergestellte Rindfleisch-Burger koscher sein? Das Thema wird derzeit untersucht. Gibt es eine Möglichkeit, im Notfall am Sabbat sein Handy zu benutzen? „Das ist sehr schwierig“, gesteht Zimmerman, „aber wir entwickeln gerade etwas.“Im Regal stehen bändeweise Antworten auf AnfraReligion gen, die das Institut aus der ganzen jüdischen Welt erreichen. „Koscher-Zertifikate verschicken wir rund um den Globus“, sagt Zimmerman. Auch an Fahrstuhltüren in deutschen Synagogen kleben die Aufkleber des Instituts, die bestätigen, dass das Gerät religiös unbedenklich ist. Zumeist heißt das, dass der Aufzug im Sabbat-Modus einfach automatisch von Etage zu Etage fährt, ohne dass eine Taste gedrückt werden muss.
Zimmerman holt einen Stift hervor, mit dem er seinen Namen auf ein Blatt Papier krakelt. Die Schrift sei für 48 Stunden sichtbar, dann verschwinde die Tinte wieder. „Ein Schöpfungsakt ist nur etwas, das auch bleibt“, sagt er. Ein Arzt kann so ein Rezept ausstellen und trotzdem auf den Sabbat Rücksicht nehmen. Manchmal erinnert die Werkstatt des Instituts an die JamesBond-Filme, in denen der Geheimdienstler Q dem britischen Agenten Spezialeffekte in seine Stifte und Autos einbaut. „Wir sind so etwas wie der jüdische Q“, sagt Sefi Appel.
Nicht jede Aufgabe nimmt das Team an. „Mit E-Books zum Beispiel beschäftigen wir uns erst, falls es einmal keine normalen Bücher mehr gibt“, sagt Zimmerman. Oft hören er und seine Mitarbeiter den Vorwurf, sie würden bloß nach Schlupflöchern suchen und versuchen, die Gebote des Allmächtigen mit Schraubenziehern und Kabeln auszuhebeln. Der Rabbi verwehrt sich dagegen: „Wir helfen Menschen, eine Sabbat-Erfahrung zu machen.“Dann berichtet er von einem krebskranken Amerikaner, der einen elektrischen Sprachverstärker benötigt. Das Zomet-Team fand einen Weg, ihn sabbattauglich zu machen.
Manchmal muss das Institut großzügig interpretieren. Wie bei der Anfrage einer israelischen Firma, die in China produziert. Um vor Ort koscheres Essen herzustellen, muss der Kochvorgang von einem Juden begonnen werden. „Traditionell genügt es schon, wenn ein Jude das Feuer entzündet“, erklärt Rabbiner Zimmerman. Also steht in China nun ein Backofen, der per SMS-Nachricht von überall auf der Welt durch einen Juden eingeschaltet werden kann.