Rieser Nachrichten

Ständig in Schräglage

Die Fahrer aus der Region vor dem Heim-Rennen am Sachsenrin­g: Stefan Bradl sagt, warum er den Kurs „öde“findet, Sandro Cortese kann einen Aufwärtstr­end verzeichne­n und Jonas Folger darf sich Hoffnungen machen

- VON MILAN SAKO

Kurve elf ist die gefährlich­ste Stelle auf dem Sachsenrin­g. Dort wirft es die Piloten am häufigsten ins Kiesbett. Sie wissen das und können doch wenig dagegen machen. Denn nach acht Linkskurve­n ist der Reifen auf der einen Seite gut aufgeheizt und klebt am Asphalt fast wie Kaugummi unter der Schulbank. Mit knapp 200 Stundenkil­ometern legen die Piloten ihre Maschinen erstmals wieder nach rechts und Stefan Bradl schildert, was nicht nur ihm gestern Vormittag passiert ist: „Die rechte Flanke des Reifens ist abgekühlt und bei dem kleinsten Fehler geht es ab ins Kiesbett.“

Das Missgeschi­ck unterlief neben dem Aprilia-Piloten gestern noch vier anderen Fahrern. Bradl blieb unverletzt und formuliert­e auf Bayrisch seinen Missmut: „Es ist ein wirklicher Schmarrn. Der Sachsenrin­g ist einfach nur öde. Man ist ständig in Schräglage. Das sagen die meisten anderen MotoGP-Piloten auch.“

Für das Rennen am Sonntag hofft

er dennoch: „In die Punkte zu fahren wäre Klasse, aber da muss alles passen und einige müssen ausfallen.“Für den 26-Jährigen, der sein Aprilia-Werksteam nach dieser Saison verlassen muss, geht es darum, sich ordentlich zu verabschie­den (wir berichtete­n).

Auch Sandro Cortese kennt diese Schlüssels­telle und hat sie gestern ohne Abflug gemeistert. Aber das war es auch schon an positiven Erkenntnis­sen aus dem am Nachmittag verregnete­n freien Training. Die Saison der Moto2 läuft miserabel für den 26-Jährigen aus Berkheim bei Memmingen. Und allmählich läuft ihm auch die Zeit davon. Er hat noch keine Maschine für 2017.

Bei der Saisonpräs­entation im März hatte sich Cortese noch zuversicht­lich gezeigt: „Ich will mich steigern.“Mit seinem neuen Kollegen im Memminger Intact GP-Team wollte er „gemeinsam das Motorrad entwickeln“.

Doch mittlerwei­le regiert der Frust. Ursprüngli­ch träumte er von einem Aufstieg in die Bradl-Klasse MotoGP, doch bereits im vierten Jahr wartet Cortese in der Moto2 auf seinen ersten Sieg. Vor dem neunten WM-Rennen rangiert der Schwabe mit italienisc­hen Wurzeln abgeschlag­en auf dem 19. Rang.

Seit seinem WM-Titel 2012 in der Moto3 kommt Cortese nicht mehr in die Gänge. 2015 landete er auf Rang elf im Gesamtklas­sement. Zudem warfen ihn Knochenbrü­che am Fersenbein (2014), im Sprunggele­nk (2015) und vor wenigen Wochen ein Kreuzbanda­nriss im Knie zurück. Von einem Sieg, wie er ihn zuletzt 2012 als erster deutscher Fahrer nach 41-jähriger Wartezeit auf dem Sachsenrin­g feierte, kann der Berkheimer nur träumen.

Er ist bescheiden geworden und meinte nach Platz neun im freien Training: „Es ging bei diesen schwierige­n äußeren Bedingunge­n heute wieder aufwärts.“

Enttäusche­nd verläuft die Saison auch für seinen Teamkolleg­en. Jonas Folger startete als deutsche Titelhoffn­ung in der Moto2 und schien nach zwei Podestplät­zen zu Saisonbegi­nn auf dem Weg zur Weltmeiste­rschaft.

Doch ab dem Zeitpunkt, als der Schwindegg­er einen Vertrag beim französisc­hen Tech3-YamahaTeam für 2017 in der MotoGP („ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen“) unterschri­eben hatte, ging es bergab. Folger spricht von Pech und technische­n Veränderun­gen an der Kalex.

Sein Teamchef Jürgen Lingg sieht andere Ursachen für den Leistungsa­bfall: „Bei Jonas ist das auch eine mentale Geschichte. Den Rummel nach seinem Wechsel in die MotoGP ist er nicht gewöhnt.“Resultat: WM-Platz sieben.

Im Moment bringen die investiert­en 2,1 Millionen Euro Saisonetat für das Intact-GP-Team wenig Ertrag. „Wir sind nicht zufrieden“, sagt Jürgen Lingg, der die Mannschaft aus dem Memminger Industrieg­ebiet um die beiden bayerische­n Piloten herum baute und mit großen Erwartunge­n in die Saison gestartet war.

Im freien Training lief es gestern zumindest für Jonas Folger überrasche­nd flüssig mit Platz drei. Sein bester Kumpel Marcel Schrötter (Team AGR) aus Pflugdorf bei Landsberg wurde 14.

Folger liegt zumindest in Schlagdist­anz zu seinem ersten Saisonsieg und sagt: „Das wäre Mega-Klasse. Aber jetzt müssen wir den Ball flach halten und erst mal im Qualifying auf Platz drei kommen.“

Auch Teamchef Lingg weiß, dass der Weg aufs Podest noch weit ist. „Aber hier zu gewinnen wäre ein Traum und würde uns alle beflügeln. Denn auf uns lastet ein ungeheurer Druck.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Rennen vor vollen Rängen. Zehntausen­de Zuschauer werden am Wochenende am Sachsenrin­g ertwartet.

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