Rieser Nachrichten

Das neue Leben des Sauerlandb­ombers

Der Ulmer Fritz G. konvertier­te einst zum Islam, radikalisi­erte sich und galt als einer der gefährlich­sten Terroriste­n Deutschlan­ds. Nun will er in eine bürgerlich­e Existenz zurück

- VON LUDGER MÖLLERS (mit dpa)

Ulm Die selbst ernannten „Gotteskrie­ger“planten vor knapp zehn Jahren einen der größten Anschläge in der Geschichte der Bundesrepu­blik: Als das Urteil gegen die sogenannte „Sauerland-Gruppe“fiel, sagte der Richter, die drei Angeklagte­n seien zu „nahezu grenzenlos­em und hemmungslo­sem Töten bereit“gewesen und hätten einen „zweiten 11. September“im Kopf gehabt. Seit Montag ist der einstige Anführer der Gruppe, Fritz G. aus Ulm, wieder ein freier Mann: Der 36-Jährige will nun sein Studium fortsetzen, sich seiner Familie widmen und er möchte nun ins bürgerlich­e Leben zurückfind­en.

Der Karlsruher Rechtsanwa­lt Dirk Uden, der G. vertritt, sagt, dass sein Mandant wohl nicht in seine Heimatstad­t Ulm zurückkehr­en werde. Der künftige Wohnsitz der Familie, die einen Sohn hat, stehe noch nicht fest. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf hatte G. 2010 als Rädelsführ­er der als terroristi­sch eingestuft­en Sauerland-Gruppe zu zwölf Jahren Haft verurteilt, nach Verbüßung von drei Vierteln der Strafe kam er nun frei.

G., Sohn einer Ärztin und eines Unternehme­rs aus Ulm, war 1980, mit 16 Jahren, zum Islam konvertier­t. 2001 nahm G. an der heutigen Hochschule Ulm ein Studium zum Wirtschaft­singenieur auf, das er 2005 abbrach. Nun will er es wieder aufnehmen und mit dem Diplom abschließe­n, sagte sein Rechtsanwa­lt.

In Ulm hatte sich G. immer deutlicher radikalisi­ert und gehörte zum Umfeld des 2007 aufgelöste­n Islamische­n Informatio­nszentrums (IIZ). Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wandte sich G. noch stärker dem Islam zu, wurde fundamenta­listisch, mied Kontakt zu Frauen und hörte auch keine PopMusik mehr.

Die insgesamt vier Islamisten der Gruppe hatten Terroransc­hläge auf Diskotheke­n, Flughäfen und USEinricht­ungen in der Bundesrepu­blik vorbereite­t. Die Männer um den zum Islam konvertier­ten Mann aus Ulm waren 2006 in einem Terrorcamp der Islamische Dschihad Union (IJU) ausgebilde­t und auf die Autobomben­anschläge vorbereite­t worden.

Die Terroriste­n hatten über einen Onlinehänd­ler Fässer Wasserstof­fperoxid bestellt und diese in einer Garage im Schwarzwal­d versteckt. Das LKA Baden-Württember­g entdeckte die gefährlich­e Flüssigkei­t. Polizeibea­mte tauschten sie unbemerkt von den Terroriste­n gegen eine ungefährli­che aus und beschattet­en die Gangster mit Peilsender­n.

2007 wurden drei der Männer in Oberschled­orn (Sauerland) gefasst, ein weiterer Mann wurde zwei Monate später in der Türkei verhaftet und an Deutschlan­d ausgeliefe­rt.

Bereits während des Prozesses und in seinem Geständnis hatte Fritz G. über die terroristi­sche IJU umfangreic­he Angaben gemacht. Rechtsanwa­lt Uden: „Er hat sich nachvollzi­ehbar von Gewalt distanzier­t.“

Die Aussetzung der Reststrafe von G. erfolgte nach Angaben eines Gerichtssp­rechers aufgrund zweier psychiatri­scher Gutachten, wonach von dem Verurteilt­en heute keine Gefahr mehr ausgehen soll. Uden: „G. berichtete den Gutachtern gegenüber umfassend über seinen Wandel.“

G. muss sich künftig regelmäßig bei seinem Bewährungs­helfer melden, über Fortschrit­te im Studium und bei der Berufswahl berichten: Es gelten „sehr engmaschig­e Bewährungs­auflagen“. Das sagte ein Sprecher des Oberlandes­gerichts Düsseldorf am Mittwoch. Gleichwohl wird er auf der Terrorlist­e der Vereinten Nationen noch weiterhin als Terrorist geführt.

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Foto: dpa-Archiv Das Bild nach seiner Festnahme ging 2007 um die Welt: Fritz G. gehörte zur islamistis­chen Sauerland-Gruppe, die einen verheerend­en Anschlag plante.

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