Drogenkrieg mitten im Urlaubsparadies
Im Badeort Puerto Vallarta verschwinden sechs Leute. Einer ist der Sohn des legendären El Chapo
Puebla Selbst für mexikanische Verhältnisse war es eine seltsame Entführung. Die Ermittler brauchten über 24 Stunden, um einigermaßen Klarheit über die Vorgänge am Sonntag im Badeparadies Puerto Vallarta zu bekommen. Sie könnten der Auftakt für einen neuen Krieg der Kartelle sein.
Es begann mit einer telefonischen Reservierung für ein Abendessen in einem der angesagtesten Restaurants der Touristenmeile. Kurz vor elf kamen die Gäste in Begleitung von neun Frauen in fünf weißen Luxusschlitten mit zum Teil falschen Kennzeichen. Sie amüsierten sich mit teurem Wein. Dann, gegen ein Uhr morgens, tauchte ein schwer bewaffnetes Kommando auf und verschleppte gezielt sechs der männlichen Gäste. Es fiel kein Schuss, niemand erstattete Anzeige, bis dato fehlt jeder Hinweis auf den Verbleib der Entführten. „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Abrechnung zwischen Kartellen handelt“, sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Jalisco, Eduardo Almaguer, am Dienstag (Ortszeit). „Und wir sind sicher, dass einer der Entführten Jesús Alfredo Guzmán ist.“Das ist eine spektakuläre Nachricht, denn es ist der 29-jährige Sohn des berühmten Drogenbosses Joaquín „El Chapo“Guzmán, der seit dessen Festnahme zusammen mit seinem Bruder die Geschäfte des Sinaloa-Kartells leitet. Fast 25 Jahre lang dominierte das Kartell den Drogenhandel entlang der Pazifikroute und an der westlichen Grenze zu den USA.
Nun wartet El Chapo in einer Zelle auf seine Auslieferung an die USA und sein Imperium scheint ins Wanken zu geraten. Es gibt Hinweise auf interne Zerwürfnisse und einen Krieg gegen das aufsteigende Kartell Jalisco Nueva Generación (CJNG). Und dann ist da noch ein alter Rivale El Chapos, der nach 30 Jahren Haft freikam: Rafael Caro Quintero. Vor kurzem tauchten in der vom Sinaloa-Kartell dominierten Grenzstadt Ciudad Juárez Transparente auf, die verkündeten, „Jetzt beginnt die Säuberung, Gruß Caro Quintero.“
Die Staatsanwaltschaft verfolgt vor allem die Spur zum rivalisierenden Kartell CJNG – eine Gruppe, die mehrere Anti-Drogen-Offiziere ermordete und sogar einen Armeehubschrauber abschoss. Beobachter schließen aber auch einen Nachfolgestreit innerhalb des Kartells nicht aus. Träfe das zu, müsste El Chapos Sohn von Weggefährten seines eigenen Vaters entführt worden sein.