Wird das Klinikum kaputtgespart?
Ein geplanter Stellenabbau im Augsburger Großkrankenhaus hat die Ärzte alarmiert. Sie schrieben einen Brandbrief an das Wissenschaftsministerium, schickten ihn aber nicht ab. Warum der Weg zur Uniklinik holprig ist
Augsburg Ende 2018 übernimmt der Freistaat Bayern das Augsburger Klinikum, das Großkrankenhaus wird dann Uniklinik. „Eigentlich sollten wir stolz sein und das Ergebnis feiern“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Klinikums, Alexander Schmidtke. Eigentlich. Tatsächlich rumort es im Haus der höchsten Versorgungsstufe. Beim Personal wächst die Kritik am Sparkonzept der Klinikleitung, das der Verwaltungsrat mehrheitlich gegen die Stimme des Ärztlichen Vorstands, Professor Michael Beyer, beschlossen hat. Es sieht bis zum Jahr 2018 den Abbau von 30 Arztstellen – das entspricht etwa vier Prozent – vor.
Hintergrund der Sparbemühungen sind die Vorgaben des Wissenschaftsministeriums, das bis spätestens 2025 in der Bilanz des Klinikums eine „schwarze Null“erwartet. Im vergangenen Jahr machte das kommunale Krankenhaus – Träger sind die Stadt und der Landkreis Augsburg – ein Defizit von 3,3 Millionen Euro, 2014 waren es noch 4,5 Millionen Euro.
Der beschlossene Sparkurs hat die Mediziner im Klinikum alarmiert. 400 der 700 Ärzte, unter ihnen auch die Chefärzte, haben deshalb einen Brandbrief ans Wissenschaftsministerium unterschrieben, der jedoch bisher nicht abgeschickt wurde. In dem Schreiben beklagen sie, dass der Spardruck dem Klinikum die Luft abschnüre und die Spitzenmedizin gefährde. „Ich habe die große Sorge, dass das Klinikum nicht mehr auf dem Niveau einer Uniklinik spielen wird, wenn die Pläne eins zu eins umgesetzt werden“, hatte Professor Beyer gegenüber unserer Zeitung geäußert. Bei einem Jahresumsatz von 400 Millionen Euro müsse man sich überlegen, ob Einsparungen von 1,5 Millionen Euro im ärztlichen Bereich sinnvoll seien.
Von anderer Seite sind deutlichere Worte zu hören. „Wir sparen uns kaputt und richten ein Chaos an“, heißt es etwa aus Insider-Kreisen. Schon jetzt würden wegen der „drastischen Situation“gute Ärzte das Klinikum verlassen und in Krankenhäusern der Grundversorgung bessere Positionen annehmen. Gleichzeitig würden jährlich 400 000 Euro für externe Gutachter ausgegeben, die Vorschläge für den Stel- machen sollen. Klartext spricht auch der frühere Ärztliche Direktor des Klinikums, Professor Rolf Harzmann. Wenn der Personalabbau tatsächlich wie vorgesehen vollzogen werde, „wird das Krankenhaus mit der letzten Schnappatmung an den Freistaat übergeben“. Das könne, so Harzmann, niemand wollen. Er verstehe deshalb den Widerstand der Ärzte. Gleichwohl hat Harzmann kein Verständnis dafür, warum der Brandbrief nicht abgeschickt wurde, „sondern das Wissenschaftsministerium erst mal gefragt wurde, ob ihn der Empfänger überhaupt haben will“.
Der Augsburger Landrat Martin Sailer, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrates ist, kann die Aufregung der Ärzte nicht verstehen. Er sage seit Monaten, „dass wir in den einzelnen Abteilungen nicht mit der Rasenmähermethode vorgehen“. Sailer: „Wir schauen uns Klinik für Klinik an und entscheiden dann, ob Stellen abgebaut werden können.“Klar sei, dass der medizinische Versorgungsauftrag des Klinikums nicht heruntergefahren werden soll. „Befremdlich“nennt es der CSU-Politiker allerdings, dass die Chefärzte ein Gesprächsangebot nicht angenommen hätten. „Von insgesamt 27 Klinikchefs zeigten nur zehn Interesse.“Das ärgere ihn und dafür habe er auch keinerlei Verständnis. Auch den Hinweis, dass immer mehr gute Ärzte das Krankenhaus verlassen würden, lässt Sailer nicht gelten. „Eine hohe Fluktuation im medizinischen Bereich hat es seit Jahren gegeben.“
Klinikums-Vorstandsvorsitzender Schmidtke betont, dass inzwischen ein konstruktives Gespräch zwischen ihm und Professor Beyer stattgefunden habe. „Wir haben uns auf einen Konsens geeinigt“, sagt Schmidtke. Er werde nun die Einzelgespräche mit den Abteilungen suchen, um spezielle und fachgerechte Lösungen zu finden. „Wir wollen Strukturen verändern und die Arbeit optimieren.“Kurzum: Man müsse effizienter werden. Allenabbau lerdings, auch das räumt der Vorstandschef ein, könne ein Krankenhaus nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen nur nach Zahlen geführt werden. Das Sanierungskonzept müsse ein langfristiger Prozess sein, der keinen Keil zwischen Ärzte, Pflegepersonal und Verwaltung treiben dürfe. Schmidtke: „Wir haben Zeit, die erforderlichen Schritte zu planen.“
Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle sagte gestern unserer Zeitung, das Sanierungskonzept sei im Zuge der geplanten Übernahme des Klinikums durch den Freistaat als „eine Voraussetzung“vereinbart worden. Der Kurs werde auch mit dem Ministerium abgestimmt. „Vonseiten der Staatsregierung gibt es jedoch keine konkreten Vorgaben für bestimmte Sparmaßnahmen“, betonte der Minister. „Die Verantwortung liegt hier voll und ganz bei den derzeitigen Trägern, Stadt und Landkreis Augsburg.“
Spaenle spricht von einem bundesweit „einmaligen Fall“, dass ein Versorgungskrankenhaus zu einem Universitätsklinikum weiterentwickelt werde. „Dies bietet die Gewähr für eine sehr hohe medizinische Qualität.“
„Wir gehen nicht mit der Rasenmähermethode vor.“Augsburgs Landrat
Martin Sailer