Neles Schicksal berührt eine ganze Region. Nun könnte alles wieder gut werden
Das Schicksal des an Krebs erkrankten Mädchens berührt eine ganze Region. Nach einem schweren Jahr sieht es nun so aus, als könnte alles wieder gut werden
Es sind kleine Schritte, mit denen sich die zwölfjährige Nele zurück ins Leben kämpft – und dieser Weg ist mit traurigen Augenblicken gepflastert. Ein solcher Moment stand für das Mädchen aus Langweid (Kreis Augsburg), bei dem im April zum zweiten Mal Leukämie diagnostiziert wurde, an Weihnachten an. Die Hoffnung, Heiligabend zu Hause feiern zu können, hat sich nicht erfüllt. Nele musste auch die Stunden, in denen andere Familien sich unter dem Weihnachtsbaum Geschenke überreichen, in der Kinderkrebsstation des Augsburger Klinikums verbringen. Es ist ein Ort, an dem wie vielleicht nirgendwo sonst traurige und hoffnungsvolle Geschichten von kleinen Patienten nebeneinanderliegen. Neles Stiefvater Andreas Unger sagt dazu: „Im Gang lief Weihnachtsmusik, ein Christbaum war aufgebaut und die Schwestern in der Station haben sich wirklich bemüht, es für alle Beteiligten schön zu gestalten. Aber es bleibt halt doch ein Krankenhaus.“
Unger verbrachte zusammen mit Neles Mutter und ihrem erst wenige Wochen alten Bruder den Heiligabend bei Nele, am ersten Weihnachtsfeiertag wurden sie von Neles leiblichem Vater Robin Hemer und dessen Familie abgelöst. Trotzdem ist bei den Angehörigen des kranken Mädchens eine zarte Zuversicht gewachsen, dass die Zeit der schmerzhaften Behandlungen und der Trennung von zu Hause bald vorbei sein könnte. Ihr Vater Robin Hemer sagt dazu: „Es geht immer rauf und runter, und Weihnachten war ein schlimmer Rückschlag für alle. Aber die Zuversicht, die ist jetzt da.“
Vor drei Monaten erhielt Nele in der Haunerschen Kinderklinik in München ihre Stammzellentransplantation. Der Eingriff verlief gut. Seitdem geht es für ihren Körper darum, sich wieder zu stabilisieren. Die Behandlung hatte es in sich: Im Vorfeld wurde das Knochenmark des Mädchens mit einer Bestrahlung zerstört – eine ungeheure Belastung für den kleinen Körper. Andreas Unger formuliert es so: „Sie steht im wahrsten Sinne des Wortes noch auf wackeligen Beinen. Aber sie ist jetzt an dem Punkt, an dem aus medizinischer Sicht alles getan ist. Den Rest müssen jetzt Körper und Geist machen.“Das geht mal besser, mal schlechter: Vor drei Wochen erlitt Nele einen Rückschlag. Das Immunsystem aber fängt wieder an zu arbeiten – ein gutes Zeichen.
Ihr Schicksal bewegt eine ganze Region. Nach der erneuten Krebs- diagnose fand im Juli in Gersthofen eine Typisierungsaktion statt – mit einer überwältigenden Resonanz. Knapp 3000 Menschen ließen sich für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren. Um die Aktion zu finanzieren, wurde ein Spendenkonto eingerichtet. Darauf zahlten Schulen, Firmen und Privatpersonen ein und brachten es somit auf 162 000 Euro. Dieser Einsatz hilft nicht nur Nele: Mit dem Betrag konnten auch andere Typisierungsveranstaltungen der DKMS finanziert werden.
Zwei Wochen später kam die erlösende Nachricht: Ein Spender für Nele wurde gefunden. Dass dies gelang, gilt als großes Glück. Laut Auskunft der DKMS liegt die Wahrscheinlichkeit, einen geeigneten Stammzellspender zu finden, zwischen 1:20 000 und 1:mehreren Millionen. Wer für Nele das Knochenmark spendete, ist nicht bekannt. Die Identität des Spenders wird zwei Jahre geheim gehalten.
Für Nele begann dennoch eine schmerzhafte Zeit. Sowohl die Vorbereitung auf den Eingriff als auch die Zeit danach stellten die Familie vor eine große Belastung. Während andere Kinder den Sommer am Freibad genießen, musste Nele die heißen Tage des Jahres in der Isolierstation des Münchner Krankenhauses verbringen. Selbst ihre Familie durfte sie monatelang nur mit Handschuhen, OP-Mantel und Mundschutz besuchen. Die Familie wechselte sich mit den Besuchen ab, doch nur die engsten Angehörigen durften zu ihr kommen. Ihre damals hochschwangere Mutter Daniela mietete sich in der Nähe ein Zimmer. Ihr Vater Robin Hemer erinnert sich: „Während ganz in der Nähe das Oktoberfest ablief, haben wir uns abgewechselt mit den Besuchen. Wenn wir zu ihr wollten, mussten wir alles desinfizieren – vom Handyladekabel bis zum Kugelschreiber.“Rund zwei Monate lang ging das so.
Was alle Beteiligten über Monate hinweg begleitete, war die Hoffnung – darauf, den Krebs ein zweites Mal zu besiegen und im neuen Jahr zur Normalität zurückkehren zu können. Es wird kein leichter Weg sein. Auch Silvester wird Nele nicht zu Hause feiern können. Andreas Unger erklärt: „Die Ärzte haben gesagt, dass die Qualität des Blutes, das durch die Stammzellen produziert wird, noch nicht ausreichend ist.“Es ist zwar nicht besorgniserregend, aber ein Beispiel dafür, in wie kleinen Schritten die Genesung vorangeht. Statt einer Feier im Familienkreis wird Neles Familie nun mit ihr am Krankenbett in das neue Jahr feiern. Ihr Vater Robin Hemer drückt es so aus: „Es sind kleine Schritte. Aber es sind immerhin positive Schritte.“
Monatelang befand sich Nele auf einer Isolierstation