Weltmann aus Wörnitzostheim
Christfried Jakob wäre heuer 150 Jahre alt geworden. Der Mediziner und Wissenschaftler kam weit herum, doch ein Wunsch erfüllte sich ihm nicht. 1866 war für den Ort auch aus anderen Gründen ein wichtiges Jahr
Wörnitzostheim Wenn sich ein Jahr zum Ende neigt, wird allerorten Rückblick gehalten auf die Ereignisse der vergangenen zwölf Monate. Dies wird auch vor 150 Jahren im kleinen Wörnitzostheim so gewesen sein. Jedenfalls fanden im nämlichen Jahr Ereignisse statt, die für die Geschichte des Ortes von Bedeutung sind, auch wenn dies in einem Fall damals noch nicht abzusehen war.
Im Frühsommer 1866 war sicher der bevorstehende Krieg in aller Munde: Der Streit um die künftige Führung im Deutschen Reich führte zum „Deutschen Krieg“zwischen Preußen und Österreich. Bayern stellte sich an die Seite Österreichs. Dieser sogenannte „Bruderkrieg“hatte damals für das kleine Wörnitzostheim eine besonders traurige Bedeutung: An der Seite der Bayern kämpften und verloren auch die beiden Brüder Johann Kaspar und Johann Michael Hochradel. Der Jüngere, Johann Kaspar, sogar sein Leben. Sein Todestag jährt sich in diesen Tagen. Er starb am 27. Dezember „an Abzehrung in Folge der Strapazen des Feldzuges 1866“.
Im Juli 1866 stand in der Augsburger Abendzeitung zu lesen, dass in Wörnitzostheim „die Übergabe und Revision einer neuen, für die dortige Kirche von dem ebenso geschickten wie bescheidenen Orgelbauer Hans Sieber aus Holzkirchen gefertigten und sehr gelungen ausgeführten Orgel“stattgefunden habe.
Hier muss angemerkt werden, dies nicht die erste Orgel in der Wörnitzostheimer Kirche war. Hundert Jahre zuvor, in den Jahren 1766/67, wurde von Orgelbauer Josef Allgeyer aus Wasseralfingen eine Orgel eingebaut. Im Jahr 1860 heißt es jedoch, dass die Orgel „ganz ruinös und nach dem Gutachten des Orgelbauers gar nicht mehr herstellbar ist“und „lauter Misstöne von sich gibt“. Letztendlich wurde dann 1866 von Orgelbauer Sieber eine neue Orgel aufgestellt, die seither ihren Dienst verrichtet. Die Orgelbauwerkstätte Sieber in Holzkirchen, die älteste Orgelbauwerkstätte im Ries, existierte von 1826 – 1964. Ausführliche Informationen zur Firmengeschichte finden sich im Buch „Holzkirchen im Ries“von G. Beck und H. Greiner. Im Laufe der nächsten eineinhalb Jahrhunderte standen immer wieder Reparaturen und auch große Renovierungen der Orgel an. Ein 1965 erstelltes Gutachten ist verheerend: „Die Orgel ist stark verschmutzt, in den Holzteilen arbeitet der Wurm, die Manualund Pedalmechanik ist ausgeleiert, die Windwegeschienen undicht. Der Klang ist ziemlich armselig.“Die Schäden konnten glücklicherweise trotzdem behoben werden und die Wörnitzostheimer Orgel gedass hört heute zu den ältesten, noch bestehenden Sieber Orgeln. In einer Stellungnahme von Kirchenmusikdirektor Wolfgang Kärner anlässlich der letzten großen Renovierung im Jahr 2009 wird festgestellt: „Der kraftvolle Klang passt sehr gut in die Rieser Kulturlandschaft, die von einem gleichermaßen kraftvollen wie selbstbewussten Bauerntum geprägt wurde. Die Sieber-Orgel von Wörnitzostheim ist ein schützenswertes Denkmal.“
Gottfried Jakob war der erste Organist auf der neuen Orgel
Erster Organist auf der neuen Orgel war damals der Heimatdichter Gottfried Jakob. Dieser war seit 1865 Dorfschullehrer in Wörnitzostheim und auch, wie damals vielerorts üblich, Mesner, Kantor und Organist. Ihm und seiner Frau Anna Barbara wurde am 25. Dezember 1866 ein Sohn geboren. Dieser verdankte seinen Namen Christfried dem Umstand, am Christtag geboren zu sein.
Christfried Jakob wuchs zunächst in Wörnitzostheim auf, besuchte dort die Volksschule und später die Lateinschule in Nördlingen. Die Studienreife erlangte er am Gymnasium zu Augsburg. Ein Medizinstudium in Erlangen schloss er im Juli 1890 mit der Promotion zum Dr. med. ab und machte sich in den darauffolgenden Jahren bereits durch diverse Veröffentlichungen einen Namen. Er hatte sich schon früh auf die neurologisch-psychiatrische Forschung spezialisiert und einen „Atlas des gesunden und kranken Nervensystems“veröffentlicht. Im Jahr 1899 wurde er an die psychiatrische Klinik „Hospicio de las Mercedes“in Buenos Aires berufen. Hier widmete er sich der Erforschung der normalen und pathologischen Anatomie des Nervensystems und veröffentlichte hierüber zahlreiche Publikationen. Nach der Übernahme einer Professur für Neurobiologie an den Universitäten La Plata und Buenos Aires war er weiter publizistisch tätig. Er war außerdem ein vielseitig interessierter und begabter Schöngeist. Er unternahm lange, beschwerliche Forschungsreisen in kaum bekannte Gebiete im argentinischen Andenbereich – wo auch ein See, der Lago Jakob, seinen Namen trägt. Er gab anspruchsvolle Klavierkonzerte und machte sich auch durch Veröffentlichungen in philosophisch-humoristischer Weise einen Namen in seiner Wahlheimat Argentinien. Christfried Jakob war verheiratet, hatte vier Kinder und verstarb hochbetagt, am 6. Mai 1956 in Buenos Aires, ohne dass sein Wunsch, noch einmal seine alte Heimat zu besuchen, in Erfüllung gegangen war.
Christfried Jakob war ein international bekannter Mediziner und Wissenschaftler, er verkehrte mit den Größen seiner Zeit und wurde einmal als „bedeutendste Persönlichkeit unter den Medizinern in Argentinien“bezeichnet.