Bischöfe, Astronauten, Schlagerstars
In Wemding haben sich berühmte Persönlichkeiten auf kunstvoll gestalteten Seiten verewigt. Auch bekannte Sportler sind darunter
Wemding
Immer wenn Martina Schmidt einen Auftrag der Stadt Wemding erhält, ist für ein paar Stunden höchste Konzentration angesagt. Dann sitzt sie vor dem dicken Buch mit dem braunen, an den Ecken abgegriffenen und leicht aus dem Leim geratenen Ledereinband, zeichnet mit dem Bleistift Hilfslinien auf die Seiten aus handgeschöpftem Papier und setzt den Füller oder Filzstift an. In kunstvollen Buchstaben schreibt sie einen vorgegebenen Text und schmückt ihn bisweilen mit kleinen Illustrationen aus. „Ich verbanne meine Familie aus dem Zimmer und brauche absolute Ruhe“, berichtet die Wemdingerin. Sie hat die ehrenvolle Aufgabe, ein besonderes Werk fortzuführen: das Goldene Buch der Stadt.
Das hat laut Bürgermeister Martin Drexler einen „hohen historischen Wert“, denn es dokumentiere ein Stück weit die jüngere Geschichte der Kommune. Sprich: Seit mehr als 60 Jahren verewigen sich darin Menschen, die von der Stadt zu einem Empfang geladen sind, mit ihrer Unterschrift. Martina Schmidt gestaltet die jeweilige Doppelseite seit 2002 aus. Die Grundschullehrerin befasste sich schon als Studentin mit Kalligrafie, der Kunst des „Schönschreibens“und machte diese zu ihrem Hobby. Mit ihren Fertigkeiten setzt Martina Schmidt eine Tradition fort, die im Goldenen Buch sofort ins Auge sticht: Von Anfang an legte die Kommune großen Wert auf eine ansprechende Optik.
So war bereits in den ersten Jahren mit Emma Mönch eine Künstlerin für das Werk verantwortlich. Die Stadt „eröffnete“das Buch am 5. Juli 1953. Der Anlass: Zu 50. Mal fand eine Wallfahrt aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg nach Wemding statt. Dabei wurde dem Augsburger Bischof Josef Freundorfer und dem bayerischen Landtagspräsidenten Alois Hundhammer die Ehre der ersten Unterschriften zuteil. 1957 folgten mit dem Richtfest für das neue Postgebäude und mit dem Besuch des Eichstätter Bischofs Josef Schröffer – der wurde später Kurienkardinal und war einer der Väter des 2. Vatikanischen Konzils – zwei weitere Einträge, ehe das Goldene Buch viele Jahre beinahe in einen Dornröschenschlaf fiel. Erst in den 1970er Jahren nahm die Zahl der Empfänge wieder zu. 1970 verewigten sich die Apollo-Astronauten, die vor ihrer Mission auf dem Mond im Ries und um dieses herum praktische Erfahrungen mit dem dortigen durch den Meteoriteneinschlag entstandenen Gestein sammelten. Emma Mönche lieferte ein passendes Gemälde von der Mondlandung und schrieb über die Astronauten: „Sie speisten im Gasthof zur Sonne und landeten einige Wochen später auf dem Mond.“Später wurde ein Foto hinzugefügt, das die berühmten Männer beim Verlassen des Lokals zeigt. 1975 trafen sich die deutsche Basketball-Nationalmannschaft und das Team von ZSKA Moskau in der Stadthalle zu einem Freundschaftsspiel. Die Künstlerin Ingrid Steinacker malte dazu zwei Stadtsilhouetten: oben auf der Seite die von Wemding, unten die von Moskau. Bekannte Sportler bereicherten mit ihrem Autogramm auch 1992 das Goldene Buch. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des TSV Wemding waren die Bundesliga-Kicker des FC Bayern München zu Gast. Einige wenige Unterschriften sind deutlich lesbar: Scholl, Thon und der Trainer Erich Ribbeck.
Inzwischen zeichneten Christa Seefried-Schulze und Petra Karg für die schmückende Optik verantwortlich. Politiker bis hin zu Bundesministern und hohe Kirchenvertreter trugen sich ein, aber auch mal – wie 2003 geschehen – Schlagerstars, die bei der Gala anlässlich des 35-jährigen Bestehens von Möbel Karman auftraten. Zu den Unterschriften von – um die Bekannteren zu nennen – Chris Roberts, Chris Howland und Peter Petrel klebte Martina Schmidt auch Fotos der Musiker.
Seit 2009 tragen sich auch regelmäßig die Personen ein, welche die Stadt mit dem Bürgerbrief und der Bürgermedaille auszeichnet. Ehrenbürger Herbert Lang wurde diese Ehre ebenfalls zuteil. Er genoss als bislang einzige Persönlichkeit das Privileg, sich über die Jahre hinweg gleich dreimal im Goldenen Buch verewigen zu dürfen: als Ehrenbürger, zum 80. Geburtstag und bei seinem Abschied aus Wemding. Mittlerweile ist das dicke Buch zu etwa drei Vierteln gefüllt. Bald werden zwei weitere Seiten beschrieben. Martina Schmidt hat schon den nächsten Auftrag erhalten. Im Februar 2017 ist Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in Wemding zu Gast.