Kommt die SPD wieder aus dem Tief?
Genossen in U-Haft und eine verheerende Wahlprognose. Die Stimmung bei den Sozialdemokraten ist im Keller. Nun fordern sie günstigen Wohnraum und Unterstützung für junge Familien. Doch schon droht eine gefährliche Personaldebatte
Ein wenig ist es so, als ob die bayerische SPD schon vorher geahnt hat, dass sie bei ihrer Klausur Hilfe „von oben“brauchen würde und sich deshalb zwei Bischöfe eingeladen hat. Den katholischen Kardinal Reinhard Marx und den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die beiden Vertreter der großen Kirchen können zwar nicht als Experten dafür gelten, wie man massenhaft Anhänger hinter sich schart. Aber sie stehen für Werte wie Solidarität und Menschlichkeit.
Auch die SPD sieht sich als die Partei solcher Werte und wollte mit dem Besuch der beiden hohen Geistlichen in Kloster Irsee (Landkreis Ostallgäu) zweierlei: zum einen der CSU vors Schienbein treten. Denn die Konkurrenz, die das „Christlich“in ihrem Namen trägt, hatte zuletzt einige Auseinandersetzungen mit den großen Kirchen, Stichwort: Obergrenze. Zum anderen die soziale Gerechtigkeit, eines der Kernthemen der Sozialdemokraten, wieder verstärkt in den Vordergrund rücken. Zusammen mit anderen Politik-In- mit denen sich die BayernSPD aus dem Tief arbeiten will.
Doch mitten hinein in die Tagung der Landtagsfraktion krachte am Mittwochvormittag die Nachricht von der Verhaftung des Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs. Es war der nächste Tiefschlag für die bayerische SPD in einer ganzen Serie: Die Verhaftung des früheren schwäbischen Parteichefs Linus Förster, der überraschende Tod des neuen Memminger Oberbürgermeisters Markus Kennerknecht, eine Umfrage, die der Partei im Freistaat nur noch 14 Prozent vorhersagte. Und jetzt der schwere Korruptionsverdacht und die Verhaftung Wolbergs.
Das hatte gesessen. Die Stimmung innerhalb der Klostermauern glich sich den Temperaturen draußen an: Dauerfrost. Denn der SPD ist klar, dass es unter diesen Umständen noch schwieriger sein wird, mit Sachthemen aus dem Tief zu kommen.
Und wie immer, wenn Stimmung und Umfragewerte im Keller sind, fängt es in einer Partei an zu gären. Denn die Aussicht, dass einige der anwesenden Abgeordneten bei einem Wahlergebnis 2018 nicht mehr im Landtag sitzen werden, hebt deren Laune nicht. Und so kam es am Donnerstagvormittag zu einer deftigen Aussprache zwischen den Abgeordneten und dem SPD-Landesverband. Da wurde nicht mit Kritik gespart, berichten Teilnehmer.
Offiziell heißt es zwar, es habe keinerlei Personaldebatte gegeben. Doch die Aussagen mancher Landtagsabgeordneter lassen Luft für Spekulationen. Arif Tasdelen aus Nürnberg sagte zum Beispiel: „Wir haben ein Problem und das müssen wir analysieren.“Auf die Frage, ob das Problem inhaltlicher oder personeller Natur sei, sagte er nur: „Das müssen andere entscheiden.“
Im Zentrum der Kritik stand der bayerische SPD-Chef Florian Pronold, der am Mittwochabend von Fraktionschef Markus Rinderspacher wegen seiner Arbeit als Baustaatssekretär im Bundesumweltmihalten, nisterium fast schon euphorisch gefeiert worden war. Andererseits hatte sich Rinderspacher am Tag vor der Verhaftung auch hinter den Regensburger OB Wolbergs gestellt.
Pronold, 44, führt die BayernSPD seit knapp acht Jahren. Die Wahlergebnisse sind seither schlechter geworden. Im Mai steht Pronold beim Landesparteitag zur Wiederwahl. Es könnte ungemütlich für ihn werden, wenn sich ein ernsthafter Konkurrent in Stellung bringt. Am Donnerstag reagierte Pronold gereizt auf derartige Spekulationen: „Die Frage ist immer: Gibt es bessere Leute oder bessere Konzepte? Ich habe bisher weder noch gesehen.“Jedenfalls sah er sich genötigt, zu versichern, dass er wieder als bayerischer SPD-Chef kandidieren wird.
Die Partei hat ein Problem, mit ihren Inhalten durchzudringen. Sie befindet sich in einer heftigen Diskussion darüber, welche Themen sie besetzen soll, ohne ihren Markenkern zu verraten. Die Flüchtlingsdebatte und die innere Sicherheit bereiten der SPD Kopfzerbrechen. Wie kann man verängstigte Wähler (zurück)gewinnen, ohne die Parteimitschlechten glieder vor den Kopf zu stoßen? Einen Lösungsansatz sehen die bayerischen Sozialdemokraten nach ihren internen Debatten in der „sozialen Sicherheit“. Die wollen sie quasi der „inneren Sicherheit“entgegensetzen, die die CSU lautstark als ihr Thema reklamiert. Denn dass es Ängste bei den Menschen gibt, das hat auch die SPD erkannt. Konkret will die Bayern-SPD bezahlbaren Wohnraum schaffen, junge Familien unterstützen und den Bürgern beim Wandel in der Arbeitswelt helfen. Das seien auch die Themen, bei denen die Wähler der Partei hohe Kompetenz zuschreiben. Der Fokus soll auch auf der inneren Sicherheit liegen. Dort will die SPD Versäumnisse der CSU bei der Videoüberwachung oder unbesetzten Polizeistellen anprangern.
Auch bei der Vermittlung ihrer Inhalte hat die Bayern-SPD Fehler erkannt. „Wir brauchen eine Sprache der Vernunft und eine Sprache, die man versteht“, sagte Generalsekretärin Natascha Kohnen. Mit diesen neuen Ansätzen, so hofft man, soll die SPD nicht mehr auf Hilfe „von oben“angewiesen sein.