Der Sumpf von Regensburg
SPD-Oberbürgermeister Wolbergs sitzt in Untersuchungshaft. Jetzt steht auch sein CSU-Vorgänger Schaidinger in Verdacht, gekauft worden zu sein. Was kommt da noch alles?
Es geht um anrüchige Parteispenden, um Vergünstigungen bei Eigentumswohnungen und um Urlaubsfahrten mit einer Segeljacht: Die Korruptionsaffäre in Regensburg nimmt immer skurrilere Züge an. Neben dem amtierenden Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD), der seit Mittwoch in Untersuchungshaft sitzt, wird nun auch offiziell gegen seinen direkten Amtsvorgänger ermittelt: den CSUMann und früheren Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Hans Schaidinger.
Beide sollen von einem Regensburger Bauunternehmer bestochen worden sein – damit dieser bei einem begehrten Baugrundstück den Zuschlag bekommt. Während Wolbergs, 45, wegen des dringenden Verdachts der schweren Bestechlichkeit schon seit Mittwoch in Untersuchungshaft sitzt, bleibt der 67 Jahre alte Schaidinger auf freiem Fuß. Denn gegen ihn besteht nach Angaben von Oberstaatsanwalt Theo Ziegler bisher lediglich ein einfacher Tatverdacht.
Laut den ersten Ermittlungsergebnissen soll Schaidinger noch während seiner Amtszeit das Unternehmen eines mitbeschuldigten 74-jährigen Bauunternehmers unterstützt haben, als es um die Vergabe des zentral nahe der Universität liegenden Grundstücks der früheren Regensburger Nibelungenkaserne ging. Dafür soll der Unternehmer Schaidinger einen gut bezahlten Beratervertrag und eine Reise mit seiner Segeljacht samt Skipper angeboten haben. „Die entscheidende Frage dabei ist: Wann hat er das Angebot angenommen – schon während seiner Amtszeit oder erst danach?“, erläutert der Oberstaatsanwalt.
Anfang Mai 2014 übernahm Wolbergs von Schaidinger den OB-Posten, noch im gleichen Monat sagte Schaidinger dem Unternehmer offiziell zu. Unter Wolbergs gingen die Mauscheleien laut den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ungestört weiter – daher wurden gegen den Bauunternehmer sogar gleich zwei Haftbefehle erlassen. Wolbergs soll mithilfe eines SPD-Stadtrats eine erneute Ausschreibung für das Kasernenareal richtiggehend auf das Unternehmen des 74-Jährigen zugeschrieben haben. Dafür spendete dieser laut Ziegler – über Strohmänner verschleiert – 366000 Euro an Wolbergs SPD-Ortsverein. Und da- mit nicht genug: Der Rathauschef und „ihm nahestehende Personen“sollen beim Kauf und der Renovierung von Eigentumswohnungen geldwerte Vorteile in Höhe von rund 80 000 Euro erhalten haben.
Nach Ansicht von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schadet die Affäre dem Ansehen der gesamten Politik. Die Frage, welcher politischen Richtung die Beschuldigten angehören, sei dabei zweitrangig. Solche Dinge dürften in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht passieren. Genauso sieht es der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter: „Für die Vertrauensbildung in der Politik ist so etwas alles andere als nützlich. Affären dieser Art schaden den Parteien insgesamt.“Die ganze Affäre habe einen „üblen Geschmack“. Im Fall von Bestechlichkeit im Amt reiche schon ein Anfangsverdacht aus, „um Asche auf das Haupt der Politik zu streuen“, sagte Oberreuter.
Der Münchner Parteienforscher Michael Koß sieht bei der Affäre vor allem die Regeln zur Parteienfinanzierung als Ursache: „Man könnte solche Fälle erschweren, wenn auch
Im Angebot: eine Reise mit der Segeljacht samt Skipper Wer an eine Partei spendet, erwartet sich etwas davon
nicht ganz verhindern, indem man die Schwelle für die Veröffentlichung von Spenden absenkt.“Derzeit liegt sie bei 10000 Euro – die Zuwendungen des Regensburger Unternehmens sollen jeweils in Beträge ganz knapp darunter aufgeteilt worden sein. „Genauso sollte man über eine Obergrenze für Spenden nachdenken“, sagte Koß. „Denn ab einer bestimmten Summe gebe ich die nicht an eine Partei, ohne dass ich mir irgendetwas davon erwarte. 100 000 Euro wäre so eine Zahl – danach endet mein Vertrauen.“
Auch wenn es sich in Regensburg um einen „besonders manifesten Fall von Korruption“handele, ist Koß überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der Oberbürgermeister und Abgeordneten im Bundestag „nach den Regeln spielt“. „Denn es funktioniert eben nicht, es kommt am Ende doch immer raus und das ist eigentlich beruhigend.“Dennoch sei die Affäre natürlich „Wasser auf die Mühlen der Frustrierten“, sagte Koß. „Aber die waren eben auch vorher schon frustriert und das aus ganz anderen Gründen. Das hat mit dem Verhalten von Politikern nur sehr wenig zu tun.“