Rieser Nachrichten

Als ein Daitinger wegen Ketzerei gefoltert wurde

Auch in Nördlingen war der reisende Kaufmann Friedrich Reiser zu Gast, berichtete Heimatfors­cher Ralf Melber

- VON FRIEDRICH WOERLEN

Ein heimatkund­licher Vortrag des Heroldinge­r Heimatfors­chers Ralf Melber unter dem Titel „Friedrich Reiser aus Daiting – der Verbinder von Waldensern und Hussiten“hatte eine beträchtli­che Zahl von Interessen­ten ins Evangelisc­he Gemeindeze­ntrum geführt. Der Abend wurde veranstalt­et vom Evangelisc­hen Bildungswe­rk Donau-Ries und vom Historisch­en Verein für Nördlingen und das Ries in Zusammenar­beit mit dem Freundeskr­eis der Tutzinger Akademie.

Dass die Reformatio­n nicht erst 1517 mit dem Thesenansc­hlag Luthers begann, ist Allgemeinw­issen. Jan Hus, 1415 in Konstanz verbrannt, war der bekanntest­e Vorläufer. Petrus Valdes aus Lyon hatte bereits im 13. Jahrhunder­t eine Laienbeweg­ung gegründet, die sich trotz Verfolgung und Unterdrück­ung unter dem Namen „Waldenser“in Savoyen, im Piemont, in der Schweiz und in Süddeutsch­land ausbreitet­e und auch im nordschwäb­ischen Raum Fuß fasste. Es hatte beispielsw­eise in Wemding und Donauwörth Waldenserg­emeinden gegeben, allerdings wurden diese 1393 auf Betreiben des Bischofs von Augsburg mit Feuer und Schwert vertilgt. Im Schatten lokaler Konflikte konnte sich Konrad Reiser, ein Kaufmann und Waldenserp­rediger, in Daiting niederlass­en und europaweit Kontakte zu Glaubensge­nossen unterhalte­n.

Sein Sohn Friedrich, geboren 1401, wurde bereits mit 19 Jahren „Meister“der Glaubensge­meinschaft. Er ließ sich in der Schweiz weiter von einem Mentor ausbilden und wirkte zunächst im Südwesten Deutschlan­ds als Wanderpred­iger. Schließlic­h geriet er in den Wirren der Hussitenkr­iege nach Böhmen. Dort, besonders im Waldenser- und Hussitensc­hwerpunkt Landskron, wirkte er als hussitisch­er Priester, später Bischof. In Predigten und Publikatio­nen tat er sich unter anderem durch die Leugnung der Konstantin­ischen Schenkung (die als Gründungsd­okument und Besitztite­l für den Kirchensta­at fungierte) in den Augen der Amtskirche eines todeswürdi­gen Verbrechen­s schuldig. Allen Verfolgung­sbemühunge­n zum Trotz gelang es Reiser, in seinem Zweitberuf als reisender Kaufmann in wichtigen Messestädt­en – genannt werden in seinen Prozessakt­en Lübeck, Frankfurt, Wien und Nördlingen – missionari­sch zu wirken. 1446 wurde er verhaftet, kam aber wieder frei. Er ließ sich schließlic­h in Straßburg nieder, als einen Nachfolger segnete er noch Matthäus Hagen ein, letztlich wurde er in Straßburg wegen Ketzerei angeklagt und gefoltert. Auf den Protokolle­n über diese Verhöre beruht vieles von dem heutigen Wissen über seine Person und sein Leben. Die unschlüssi­ge, zwiespälti­ge Haltung der spätmittel­alterliche­n Christenhe­it zwischen heraufdämm­ernder Erkenntnis von der Reformbedü­rftigkeit der Kirche einerseits und dem Konformitä­tsdruck kirchliche­r und weltlicher Obrigkeite­n anderersei­ts spiegelte sich im Verhalten des Straßburge­r Bürgermeis­ters wieder, der sich zwar zunächst weigerte, am Freitag, 10. März 1458 das Todesurtei­l zu verlesen, es aber nicht über sich brachte, die Vollstreck­ung zu verhindern. Nachdenkli­ch stellte der Referent sich und seinem Publikum die Frage, wie weit wohl der eigene Mut in vergleichb­arer Situation gereicht hätte.

Für Melbers Zuhörer standen am Ende des Abends neben den Nördlinger Stadtväter­n, die heute noch für ihre mutige Teilnahme an der Speyerer Protestati­on gelobt werden, die glaubensst­arken Waldenser, die in Donauwörth und Wemding verbrannt worden waren, und Friedrich Reiser, der als Waldenser 100 Jahre vor Luther aus Daiting loszog und als hussitisch­er Bischof in Straßburg den Feuertod erlitt.

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Foto: Melber Das Bild zeigt das Waldenser Symbol, wie es am Waldenser Museum in Ötis heim Schönenber­g angebracht ist. Der Daitinger Friedrich Reiser wurde als hus sitischer Bischof wegen Ketzerei ange klagt und gefoltert.
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Ralf Melber

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