Tuchel lässt Dampf ab
Die Unruhe im Verein hat den Trainer unter Druck gesetzt. Beim 1:0-Sieg gegen Leipzig lässt er seinen Emotionen freien Lauf. Nun droht neuer Ärger. BVB-Hooligans sorgen für Randale und abstoßende Szenen
Thomas Tuchel war aufgedreht wie einst Jürgen Klopp. Beim 1:0 (1:0) seines Dortmunder Teams über RB Leipzig ließ selbst der als weniger lebhaft bekannte Fußball-Lehrer seinen Emotionen freien Lauf. Mit Freudensprüngen, die an die wilden Auftritte seines Vorgängers erinnerten, feierte Tuchel den Siegtreffer von PierreEmerick Aubameyang.
Am Ende der Zitterpartie ließ er sich gar zu einer spöttischen Geste Richtung Leipziger Bank hinreißen. „Wenn diese spezielle Energie da ist, wenn Druck drauf ist, dann packt es mich eben auch“, kommentierte der Coach, gab sich aber reumütig. „Das kann man sich natürlich komplett sparen.“
Tuchels ungewohnt heftiger Gefühlsausbruch verriet, welch großer Druck auf ihm lastete. Nach den Schlagzeilen um sein angespanntes Verhältnis zur Vereinsführung, seine Rolle beim Wintertransfer von Alexander Isak und seinen Umgang mit Weltmeister Mario Götze tat das Erfolgserlebnis gegen den Tabellenzweiten not. Die Kampfansage seines Teams an den in Dortmund besonders ungeliebten Gegner versetzte Tuchel ins Schwärmen.
„Das fühlt sich überragend an. 4:0 verkleidet als 1:0, super Spiel, super Energie, mit hoher Energie verteidigt. Wir haben nur vergessen, den Deckel drauf zu machen“, sagte er mit Verweis auf den fahrlässigen Umgang seines Teams mit Torchancen. Eine weitere gute Nachricht vermeldete der BVB am Tag nach dem Prestigesieg: Im Sommer wechselt der Leverkusener Ömer Toprak zu den Dortmundern, er unterschreibt einen Vertrag bis 2021. Trotz der dritten Auswärtsschlappe seines Teams in Serie wirkte RB-Trainer Ralph Hasenhüttl erstaunlich gelassen. Angesichts des Fehlens von vier Stammkräften konnte er das 0:1 verschmerzen. „Ich war schon oft stolz auf mein Team. Heute bin ich es besonders. Wir haben einen heißen Kampf geboten – egal, wie gebeutelt wir waren.“Weniger toll verlief der Fußballabend für Mario Götze. Wie schon beim 1:1 der Borussia vor einer Woche in Mainz hoffte der Weltmeister gegen Leipzig vergeblich auf eine Einwechslung. An der Seite seines diesmal ebenfalls nicht eingesetzten Nationalmannschaftskollegen André Schürrle verfolgte er das Geschehen von der Ersatzbank aus. Auf Fragen nach der erneuten Ausbootung von Götze reagierte Tuchel gereizt. „Nach dem Spiel ist kein guter Zeitpunkt, um darüber zu reden.“Für unliebsame Schlagzeilen sorgten Ausschreitungen vor dem Anpfiff. Nur ein massiver Polizeieinsatz verhinderte, dass die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fangruppen weiter eskalierten. Dortmunder Hooligans hatten die Gäste mit Steinen und Dosen beworfen. Die Polizei sprach von „extremer Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Dortmunder Anhängerschaft“. Vier Polizeibeamte wurden verletzt, insgesamt 28 Strafanzeigen gestellt. Die Leipziger reagierten am Sonntag mit einer deutlichen Stellungnahme: „Die Übergriffe von Dortmunder Fans auf gegnerische Zuschauer, auf die Polizei, aber auch Beleidigungen und Straftaten gegen Kinder und Frauen sind nicht tragbar und beschämend für ganz Fußball-Deutschland.“(dpa)
Tore 1:0 Aubameyang (35.) Zuschauer 81360 (ausverkauft)