Neuer Geist im legendären Schloss
Das Ashford Castle gehörte der Bierfamilie Guinness. Als Luxushotel schrieb der Landsitz Promi-Geschichte, doch der Niedergang ließ sich nicht aufhalten – bis ein Südafrikaner kam, der wohl eine sehr nostalgische Seite hat
Wenn die Mauern von Ashford Castle reden könnten, hätten sie eine Menge zu erzählen: Geheimnisse und Klatschgeschichten aus der Welt der gekrönten Häupter, der Hollywood-Stars und der Politiker – und auch aus der eigenen, fast 800-jährigen Geschichte.
Es gibt keine Schlachten mehr um Ashford Castle wie 1589, als die Soldaten der anglo-normannischen Erbauer der Burg gegen die Truppen des englischen Lords Bingham unterlagen. Zu solch schnödem Handeln würden sich die Herrschaften, die hier unter Kronleuchtern und bei Kerzenlicht speisen, wohl kaum herablassen. Und die holzgetäfelten Wände und dicken Teppiche verschlucken selbst das Geschnatter der Tagesbesucher, die für fünf Euro Einlass in den gigantischen Schlosspark finden und durch die Fenster auch mal einen Blick auf die antiken Möbel und teuren Gemälde werfen wollen, die das Schlosshotel im County Mayo an der Grenze zu Galway so außergewöhnlich machen.
Seit der Bierbaron Sir Benjamin L. Guinness 1852 Ashford Castle erwarb, gehört der Park mit den uralten Bäumen, den gepflegten Greens und dem ummauerten Blumengarten Maureen O’Hara zähmte. Die Gäste von Ashford Castle können den Kult-Film auch in ihren Zimmern sehen.
Seit 1939 ist das schlossartige Anwesen ein Hotel. Die unterschiedlichsten Investoren sorgten durch An- und Ausbauten dafür, dass Ashford Castle zu einer der besten Luxusherbergen der Welt wurde. Doch 2013 stand das Haus wieder zum Verkauf. Dass die Tollmans aus Südafrika, Gründer der Red Carnation Hotels, zugegriffen haben, ist den nostalgischen Erinnerungen von Brett Tollman zu verdanken, der seinen ersten Fisch fing, als er mit seinen Eltern Stanley und Beatrice in Ashford Urlaub machte. Die Tollmans beschlossen, sich das Anwesen noch einmal anzuschauen. Sie kamen, sahen und kauften.
„Ein Wunder“, sagt Generalmanager Niall Rochford dankbar, „das die Wiederauferstehung einer Legende ermöglichte“. Die Renaissance der irischen Hotel-Ikone ließen sich die südafrikanischen Hoteliers gut 100 Millionen Euro kosten. „Jedes einzelne Fenster wurde ausgetauscht“, erzählt Rochford mit glänzenden Augen. Natürlich ist auch die Elektrizität neu, die Heizung, das Dach. Und weil die Tollmans Kinofans sind, installierten sie auch gleich noch ein eigenes Kino in plüschigem Rot.
Überhaupt die Einrichtung: Opulent ist untertrieben. Unter Kristalllüstern schlafen die Gäste in prachtvollen Himmelbetten und schreiten über dicke Teppiche, die üppigen Gardinen rahmen die schönsten Aussichten auf den Park ein, im offenen Kamin flackert ein einladendes Feuer. Man fühlt sich tatsächlich zu Gast in einem Schloss – mit einem Hauch von Hogwarts, dem ZauberSchloss aus Harry Potter. Denn eine Nacht in Ashford Castle ist wie eine Reise in eine andere Welt. Eine Welt, in der es noch Prinzen gab, die zur Jagd gingen wie der Prince of Wales und spätere König Georg V., an dessen Besuch die royal anmutende Bar erinnert. Und als HollywoodSchönheiten noch ihren Traumprinzen fanden wie Grace Kelly, die spätere Gracia Patricia von Monaco.
Dass sich die Gäste von heute genauso wohl fühlen wie einst der Prince of Wales oder Grace Kelly, dafür sorgt eine kleine Armee von dienstbaren Geistern, die den Gästen mit größter Herzlichkeit begegnen. Viele von ihnen sind schon Jahrzehnte dabei, bei manchen war schon der Großvater oder die Großmutter im Schloss beschäftigt. Dass die neuen Eigentümer dieses Engagement zu schätzen wissen, beglückt den Generalmanager ebenso wie die Großzügigkeit, mit der die Tollmans das geschichtsträchtige Hotel an die Anforderungen der Neuzeit angepasst haben, ohne dabei den Charme des Alten zu zerstören. Ein nagelneues Spa wurde eingerichtet, ein schöner Pool, ein Kinderspielzimmer, eine Terrasse für ZigarrenRaucher und ein generös bestückter Weinkeller im ehemaligen Personaleingang, da, wo ganz früher der Fluchtweg aus der Burg war.
Auch ganz normale Gäste können sich in Ashford Castle fühlen wie Mylord oder Mylady – wenn sie denn genügend Kleingeld haben. Wie wär’s also mit einem Crashkurs in Falknerei. Die Schule ist gleich neben dem Park. Mindestens eine Stunde Zeit sollte man sich schon nehmen, wenn man selbst einen Bussard fliegen lassen will. Dafür ist das ein ganz besonderes Erlebnis. Die blond bezopfte Megan kennt jeden einzelnen der Vögel, die in großen Käfigen auf ihren Ausflug warten, beim Namen. Und sie schätzt ihre Schützlinge als „soziale Wesen“, die auch ihre Beute miteinander teilen. Der Stolz der Falknerei ist der Uhu Dingle, ein majestätischer Vogel, der sichtlich von der eigenen Schönheit überzeugt ist. Megan krault ihn vorsichtig, denn Dingle hat ein eher hitziges Temperament.
Nichts also für Amateure. Die bekommen es eher mit dem braven Bussard-Weibchen Carra zu tun. „Fliegen ist wie Marathon laufen“, erklärt Megan, und dass die Vögel deshalb vor dem Fliegen nicht hungrig sein dürfen – aber auch nicht überfüttert. Deshalb muss Carra auf die Waage, bevor sie bei einem Waldspaziergang ausfliegen darf.
Ein dicker Lederhandschuh schützt den Arm vor den scharfen Krallen des Bussards. Mit einem leichten Schubs entlässt Megan den Vogel, der sich blitzschnell auf den nächsten Baum schwingt und auf ihren Ruf hin wieder zurückkommt. Die – erwartete – Belohnung sind rohe Hühnerteile, die Megan im Handschuh versteckt hat. Ohne die würde Carra gar nicht erst fliegen erklärt Megan. Doch mit dem Fleisch im Handschuh können auch Laien die Jagdvögel auffliegen und zurückkommen lassen und ein Gefühl für die jahrtausendealte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Vogel entwickeln – wobei sich eine ganz unerwartete Nähe zu dem scharfschnabeligen Bussard einstellt. Sicher haben die Altvorderen auf Ashford Castle auch die Falkenjagd betrieben.
Ach ja, es gibt noch viele Geschichten, die Ashfords Mauern erzählen könnten. Neugierige finden so manches in der Bilder-Galerie „Ashford down the ages“. Zum Beispiel einen jugendlichen Oscar Wilde. Der exzentrische Autor war 1878 Gast einer Hausparty im Schloss, das damals noch der Guinness-Familie gehörte. Und dann wäre da ja auch noch die Traumhochzeit von Pierce Brosnan mit Keely Shaye Smith unter dem Motto „Ein Mitsommernachtstraum“. Keely hat ihrem Pierce übrigens eine tonnenschwere Eisskulptur nach Rodins „Der Kuss“geschenkt, er revanchierte sich mit einem gigantischen Feuerwerk über dem Lough Corrib. O
Ashford Castle, Cong, County Mayo, Ireland, Tel. 00353 94 954 6003, www.ashfordcastle.com