Warum Kiffen kein Kavaliersdelikt ist
Die Zahl der Verkehrsteilnehmer, die im Donau-Ries-Kreis unter Drogeneinfluss stehen und erwischt werden, hat stark zugenommen. Es gibt wohl zwei Gründe dafür
Einen 21-Jährigen erwischte die Polizei in dieser Woche am späten Abend auf der Hauptstraße mitten in Rain quasi direkt vor der Dienststelle. Einen 20-Jährigen stoppte eine andere Streife gerade mal zwölf Stunden später, also kurz vor Mittag, im Marxheimer Ortsteil Schweinspoint. Beide Männer fielen den Beamten bei den Verkehrskontrollen wegen ihrer großen Pupillen beziehungsweise wegen ihres auffälligen Verhaltens auf. Die Autofahrer erklärten sich freiwillig zu einem Drogenschnelltest bereit, gaben eine Urinprobe ab – und haben jetzt mächtig Ärger an der Backe: Sie haben Rauschgift konsumiert und sich ans Steuer gesetzt.
Solche Fälle sind für die Polizeiinspektionen in Donauwörth, Nördlingen und Rain längst keine Seltenheit mehr. Die Zahl der Verkehrsteilnehmer, die unter Drogeneinfluss stehen und bei Kontrollen im Donau-Ries-Kreis auffliegen, hat extrem zugenommen.
Früher waren es so um die 30 Personen pro Jahr, 2015 schon knapp 70 und 2016 sogar 100. „Die Steigerung ist schon eklatant“, stellt Magnus Kastenhofer fest. Der Hauptkommissar ist bei der Inspektion in Donauwörth tätig und als Sachbearbeiter Verkehr für den ganzen Landkreis zuständig.
Was Kastenhofer und seinen Kollegen auffällt: In aller Regel seien es junge Leute, die bei den Kontrollen auffliegen. Meist reagiere der Test positiv auf den Wirkstoff THC – ein Zeichen dafür, dass der Ertappte einen Joint mit Marihuana geraucht hat. Auch Kräutermischungen würden konsumiert, was ebenfalls nach Tagen noch nachweisbar sei. Das Unrechtsbewusstsein halte sich oft in Grenzen. „Viele sehen das augenscheinlich locker und stellen es fast so hin, wie wenn sie eine normale Zigarette geraucht hätten“, weiß Paul Förg, Pressesprecher der Inspektion Rain, aus der täglichen Ar- beit. Was die Rauschgiftkonsumenten wohl ausblenden oder gar nicht ahnen: Die rechtlichen Konsequenzen können gravierend sein.
Doch wie kommt es überhaupt zu der Zunahme der registrierten Drogenfahrten? Zum einen liege dies am zunehmend geschulten Blick der Polizisten, so Kastenhofer: „Die Kollegen schauen sensibler und genauer drauf.“Früher hätten die Gesetzeshüter bei Verkehrskontrollen vor allem die Nase eingesetzt, sprich: geprüft, ob jemand nach Alkohol riecht. Inzwischen schauten die Beamten auch auf drogentypische Verhaltensweisen und Anzeichen. Ein untrügliches Zeichen für Rauschgiftkonsum seien zum einen die vergrößerte Pupillen, zum anderen das gesamte Verhalten. Viele der Bekifften seien eher „ruhig“, man- che wirkten lethargisch, schildert Förg. Als weiteren Grund für die zahlreichen Verkehrsteilnehmer, die benebelt am Steuer sitzen, sieht die Polizei die Tatsache, dass offenbar entsprechend „Stoff“auf dem „Markt“ist. Peter Timko, Chef der Kripo Dillingen, die auch für den Donau-Ries-Kreis zuständig ist, sagt dazu: „Es sind Unmengen von Marihuana in Umlauf.“Es gebe unterschiedliche Beschaffungswege, ergänzt Walter Beck, Leiter der Inspektion Nördlingen. Zum Teil werde das „Gras“über das Internet bestellt. Oder es werde über Händler vor Ort bezogen.
„Kiffen stellt für viele junge Leute kein Verbrechen dar“, teilt Timko die Einschätzung seiner Kollegen in den einzelnen Inspektionen. Die Realität sehe freilich so aus: „Es ist strafbar und gerade für Jugendliche sehr gefährlich.“Bei jungen Marihuana-Konsumenten seien immer wieder negative psychische Auswirkungen zu beobachten.
Die verkehrsrechtlichen Folgen einer Drogenfahrt schauen meist so aus: Es handelt sich um eine Ordnungswidrigkeit, die ein vierwöchiges Fahrverbot, Punkte in Flensburg und ein Bußgeld nach sich zieht. Dabei bleibt es aber oft nicht. Als „weitaus nachhaltiger“bezeichnet Paul Förg das folgende Prozedere: In allen Fällen wird die Führerscheinstelle des Landratsamts verständigt. Die Behörde entscheidet dann je nach Ergebnis der Blutprobe, die ein Drogensünder abgeben muss, über weitere Sanktionen. Finden sich Spuren von Amphetaminen, Kokain oder Opiaten, wird die Fahrerlaubnis ebenso entzogen, wie beim Nachwies von regelmäßigem Cannabis-Konsum. Das heißt: Der Führerschein ist mindestens ein Jahr weg („Abstinenzjahr“) und wird erst ausgehändigt, wenn der Betroffene „sauber“ist und die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) erfolgreich absolviert. Auch bei gelegentlichem Cannabis-Konsum drohen diese Folgen, wenn zum Beispiel ein bestimmter THC-Wert überschritten wird oder andere Faktoren (etwa Alkohol oder Persönlichkeitsstörungen) eine Rolle spielen. Ganz abgesehen davon, so Magnus Kastenhofer, geraten die erwischten Konsumenten ins Visier der Drogenfahnder. Die interessiere unter anderem, woher der Stoff kommt und ob noch mehr zu finden sein könnte ...