Dieses Team sucht ein Zuhause
Nach drei Jahren in der Bundesliga darf der TSV Herrsching erstmals in den Play-offs ran. Die Euphorie könnte nicht größer sein. Sein Heimspiel muss der Klub aber in Innsbruck austragen
Der Jubel in der ausverkauften Nikolaushalle fand auch eine Dreiviertelstunde nach dem Spiel kein Ende. Völlig überwältigt vom eigenen Erfolg und der Stimmung im Stadion tanzten die Volleyballspieler des TSV Herrsching vor der Haupttribüne zu den „HumbaTätärä“-Gesängen ihrer Fans. Mit einem 3:1-Sieg im letzten Heimspiel gegen die Solingen Volleys ist die Mannschaft am Sonntag nach drei Jahren in der Bundesliga erstmals in die Play-offs eingezogen. Besonders emotional dankte Trainer Max Hauser den Fans: „Ich bin so zuversichtlich wie noch nie“, rief er ihnen zu: „Jedes Jahr werden es mehr Leute, die hier Bock drauf haben!“
Die Euphorie vor den Entscheidungsspielen könnte bei Spielern und Fans kaum größer sein. Dabei drohte dem Verein vor kurzem noch der Zwangsabstieg. Weil die Dreifachturnhalle in der Nikolausstraße nicht über eine Zuschauerkapazität von 2500 Besuchern verfügt und die Deckenhöhe mit acht Metern um einen Meter zu niedrig ist, hätte die Volleyballliga VBL dem Verein beinahe die Lizenz entzogen. In vielen Gesprächen haben Team-Manager Fritz Frömming und Pressesprecher André Bugl bei der VBL um Verlängerung der Ausnahmegenehmigung geworben, sagt Bugl: „Man muss realistisch sein: So eine Halle stellen wir nicht in zwei, drei Jahren auf.“Deshalb habe der Verein kurz nach dem Aufstieg in die erste Liga angefangen, eine neue Halle für Herrsching zu planen. Derzeit fehlt laut Bugl nur noch ein Grundstück. Von den Fortschritten konnten er und Frömming offenbar die VBL überzeugen – und dürfen drei weitere Jahre in der Nikolaushalle Ligaspiele absolvieren. Die Liga indes tut gut daran, den TSV Herrsching im Oberhaus zu halten – schließlich ist der Verein ein Publikumsmagnet.
Dafür haben seine Funktionäre aber auch einiges getan: Immer wieder fallen die Volleyballer aus Herrsching mit skurrilen Aktionen auf. Um kurz nach dem Aufstieg in die erste Liga auf die knappen Kassen aufmerksam zu machen, trampte das Team 2014 zu einem Auswärtsspiel und machte daraus öffentlichkeitswirksam einen Roadtrip. Ein Jahr später präsentierte der Klub in einer Oktoberfest-Box sein neues Mannschaftstrikot im Trachtenstil und übertrug das Ereignis im Internet. Pressesprecher Bugl befindet sich auf einer Gratwanderung zwischen kluger Selbstinszenierung und wildem Klamauk. Manche Herrschinger sehen den Wandel kritisch. Größere Bekanntheit und wachsende Reichweiten in den sozialen Netzwerken sprechen für die MarketingStrategie. Fast 7000 Nutzer folgen dem TSV Herrsching auf Facebook, mehr als 1000 Nutzer haben seine Videos auf Youtube gesehen und auch über Instagram und Snapchat erreicht der Verein viele Menschen. Zu den Heimspielen kommen Fans aus Nürnberg, aus Nordrhein-Westfalen und sogar aus Österreich.
Aus einem normalen Sportverein haben Trainer Max Hauser, Abteilungsleiter Fritz Frömming und Pressesprecher André Bugl innerhalb weniger Jahre einen Bundesligisten mit professionellem Marketing und überregionalen Sponsoren gemacht. Fans nennen den Verein seit mehr als einem Jahrzehnt „Geilster Club der Welt“(GCDW). Am 30. Juni 2014 sicherten sich die Herrschinger das Recht, mit diesem Namen Geschäfte zu machen, und ließen sich als „GCDW home of volleyball GmbH“in das Handelsregister eintragen. Frömming, Hauser und Bugl sind Gesellschafter und sehen sich als Start-up-Unternehmen. Der Verkauf von Fanartikeln ist eine wichtige Einnahmequelle, sagt Bugl: „Wir sind drauf und dran, das 1000. Trikot zu verkaufen. Für uns als Volleyballverein ist das außergewöhnlich!“Pullover, Mützen und Autogrammkarten verkaufen sich mit dem Image als „Geilster Club der Welt“sehr erfolgreich.
Dieses Selbstbild und Lebensgefühl hilft der Mannschaft womöglich auch beim Viertelfinal-Heimspiel am 22. März. In der Nikolaushalle darf es wegen der VBL-Statuten nicht stattfinden. Auch der Audi Dome und die Eishockeyhalle in München eignen sich nicht, regelkonform wäre nur die Olympiahalle, sagt Bugl: „Aber die ist nicht zu finanzieren.“
Deshalb tragen die Herrschinger ihr Heimspiel beim befreundeten Hypo Tirol Volleyballteam in Innsbruck aus – und wollen mindestens zwei Busladungen Fans mitnehmen. Die sind für die Mannschaft nämlich besonders wichtig, sagt Trainer Hauser: „Mit diesem Rückhalt werden wir auch gegen Frankfurt Erfolg haben.“Und dann lässt sich Hauser im Freudentaumel noch zu einem frechen Spruch hinreißen: „Ich glaube, die Frankfurter zittern schon!“