Trumps militärischer Wutausbruch
In Washington gibt es Kritik an der impulsiven Entscheidung des Präsidenten. Weitere systematische Attacken der US-Streitkräfte sind wenig wahrscheinlich
Als Donald Trump in der Nacht zum Freitag in seinem Landsitz in Florida vor die Presse tritt, liefert er ein einziges Motiv für seine Entscheidung, einen Luftwaffenstützpunkt im fernen Syrien mit Marschflugkörpern anzugreifen: Empörung. Frauen und Kinder seien vor wenigen Tagen bei dem Giftgasangriff in Nordsyrien getötet worden, der von der syrischen Basis in Al-Shairat aus gestartet worden sei, sagt Trump. „Kein Kind Gottes“sollte ein so schreckliches Schicksal erleiden müssen. Trumps Emotionen haben den seit sechs Jahren anhaltenden Krieg in Syrien aufgemischt – doch am Tag nach dem US-Angriff auf Scharyat wird die Frage laut, was der militärische Wutausbruch bringt.
In seiner kurzen Fernsehansprache nach dem Angriff nennt Trump den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einen „Diktator“. Gleichzeitig verschärft seine Regierung ihren Ton gegenüber Russland. Außenminister Rex Tillerson sagt, entweder sei Moskau in den Giftgasangriff der Syrer verwickelt gewesen oder die russische Führung habe bei dem Versuch versagt, die Syrer im Zaum zu halten. Washington habe Moskau nicht nach einer „Genehmigung“für den Einsatz gefragt.
Die über Satellit gesteuerten Tomahawk-Marschflugkörper werden gegen 4.40 Uhr Ortszeit am Freitagmorgen von zwei amerikanischen Kriegsschiffen im Mittelmeer abgeschossen und zielen auf Landebahnen, syrische Kampfflugzeuge, Flugzeughangars und Treibstofftanks in Al-Shairat. Ganz offenbar sollen die Syrer mit dem Angriff nicht nur bestraft, sondern auch gedemütigt werden. Damaskus spricht von einer Aggression und sechs Toten; darunter soll nach Oppositionsangaben auch ein General sein. Russland bemüht sich, die Attacke als verunglückte Machtdemonstration darzustellen: Weniger als die Hälfte der 59 Tomahawks hätten ihr Ziel erreicht, sagt Moskau.
Die Frage nach dem Ziel der Aktion wird in den Stunden nach dem Einschlag der Tomahawks immer lauter gestellt. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte auf angedrohte Angriffe in Syrien verzichtet und damit viel Kritik auf sich gezogen. Der neue Präsident sieht dagegen ganz offensichtlich die Notwendig- keit, ein starkes Signal an Assad zu schicken. Weitere Angriffe dieser Art sind aber nicht unbedingt zu erwarten. US-Regierungsvertreter lassen sich mit den Worten zitieren, Assad solle von weiteren Giftgaseinsätzen abgehalten werden. Der Nahost-Experte Michael Weiss spricht im Nachrichtensender CNN von einer „symbolischen Geste“der USA. Auch Außenminister Tillerson sagt, an der grundsätzlichen Syrien-Politik der USA habe sich nichts geändert. Präsident Trump habe lediglich klargemacht, dass er zum Eingreifen bereit ist, wenn ein Politiker wie Assad „die Linie überschreitet“. Laut Tillerson will Washington nicht versuchen, Assad mit Mitteln der militärischen Macht der Supermacht USA zu entmachten. Die Frage nach einer Ablösung des syrischen Präsidenten solle den Syrien-Friedensgesprächen in Genf überlassen bleiben.
Aber ganz so einfach wird es für Trump und Tillerson nicht werden. US-Verbündete wie die Türkei und Saudi-Arabien sowie syrische Rebellen sind zwar hocherfreut über die Entwicklung, doch Russland sieht einen beträchtlichen Schaden für die Beziehungen zwischen Moskau und Washington.
„Was passiert dann?“, habe Obama stets seine Berater gefragt, wenn ein Militärschlag diskutiert worden sei, kommentiert Jen Psaki, eine frühere Mitarbeiterin des im Januar aus dem Amt geschiedenen Präsidenten. Ob Trump die kurz- und mittelfristigen Folgen seiner Aktion bedacht habe, sei zu hoffen – aber nicht unbedingt sicher, betont Psaki in Möglicherweise habe Trump das Gefühl gehabt, mit dem Einsatzbefehl für die Tomahawks angesichts des Grauens in Syrien zumindest etwas getan zu haben. Aber die amerikanische Öffentlichkeit warte immer noch auf eine Erklärung darüber, „auf was wir uns eingelassen haben“.
Die Tomahawks haben Assad nicht die militärische Fähigkeit zu neuen Giftgasangriffen genommen, weshalb sich die Frage erhebt, wo die Schwelle für erneute US-Luftschläge liegt. Unklar ist unter anderem, ob sich Trumps Wut nur auf einen Giftgaseinsatz bezieht, andere schrecklichen Aspekte des an Grausamkeiten reichen Syrien-Krieges aber ignoriert. Die Zusammenarbeit mit Russland wird zunächst einmal deutlich schwieriger.