Zahl der Notfallfahrten steigt rapide
Das Bayerische Rote Kreuz verzeichnet so viele Einsätze wie nie zuvor. Die schwindende Zahl der Hausärzte auf dem Land ist einer der Gründe
Wenn Arthur Lettenbauer auf seine Zahlen und Diagramme schaut, muss er schon ein wenig schlucken. Der Geschäftsführer des BRK im Landkreis hatte schon länger im Gefühl, was die Statistik nun bestätigt: Die Zahl der Notfalleinsätze ist „exorbitant“gestiegen. Mussten die Rettungswagen mit Sanitäter und Assistent 2011 nur knapp 2000 Mal ausrücken, waren es 2016 über 3500 Fahrten. Allein seit dem Vorjahr sind die Zahlen um 24 Prozent gestiegen. 2015 rückten die mittlerweile fünf Rettungswagen und das neue Fahrzeug in Harburg noch 2888 Mal aus.
Als Notfalleinsatz zählen Vorfälle mit leicht verletzten Personen. Deshalb wird vor Ort kein eigener Notarzt gebraucht. Die Patienten werden vom Rettungsassistenten versorgt und möglicherweise ins nächste Krankenhaus gefahren. Klassisch sind etwa Schulunfälle, Stürze und kleine Verkehrsunfälle. In diese Kategorie fallen aber auch Fahrten zwi- Krankenhäusern, bei denen der Patient eine medizinische Versorgung braucht. „Die Zahl dieser Fahrten hat enorm zugenommen, vor allem für die Kollegen aus Donauwörth“, sagt Lettenbauer. Die Kollegen dort seien enorm belastet und fahren bis zu zehn Einsätze pro Tag, wobei man im Durchschnitt von einer Stunde Dauer pro Fahrt ausgehen kann. Das stresst das Personal, das sowieso schwer zu finden sei, und belege den Rettungswagen für Tätigkeiten, die eigentlich ein klassischer Krankentransporter übernehmen könnte. „Doch genau so ein Fahrzeug wurde uns vor zwei Jahren gestrichen“, sagt Lettenbauer. „Jetzt brauchen wir dringend.“Denn die Zahl der Fahrten zwischen den Krankenhäusern habe auch deshalb zugenommen, weil sich das gKU an seinen Standorten Oettingen, Donauwörth und Nördlingen auf verschiedene Fachbereiche spezialisiert habe. So werden beispielsweise Patienten mit Herzleiden in Donauwörth erstversorgt, dann zum Spezialisten nach Nördlingen gebracht. Wegen dieser Veränderung geht der Geschäftsführer davon aus, dass ein solcher Wagen wieder genehmigt wird.
Noch ein anderes medizinisches Strukturproblem geht zulasten des BRK. Die Zahl und die Dichte der Hausarztpraxen auf dem Land sinkt weiter. Wer am Wochenende einen Arzt braucht und weite Anfahrten zur nächsten, diensthabenden Hausarztpraxis nicht antreten will, ruft immer öfter den Krankenwagen. „Die Menschen wissen mittlerweile, was sie am Telefon der Leitstelle sagen müssen, damit ein Krankenwagen kommt“, verrät Lettenbauer. Er macht den Menschen keinen Vorwurf, denn meist könnten die Betroffenen nicht objektiv entscheiden, wie dringend ihre Verletzung behandelt werden muss.
Während die Kosten der Einsätze der Fahrzeuge an den fünf Rettungswachen im Landkreis – Nördlingen, Donauwörth, Oettingen, Rain und Monheim – durch die Krankenkassen gedeckt werden, sieht es beim neuen Krankenwagen am Standort Harburg anders aus. Seit 2015 gibt es dort eischen nen sogenannten Stellplatz, das Fahrzeug fährt nur zwischen 8 und 24 Uhr. Das BRK kalkulierte damals 600 Einsatzfahrten im Jahr, was mit einer Pauschale abgegolten wird. Doch das Fahrzeug war 2016 fast 1400 Mal auf der Straße. „Das ist für uns derzeit ein Draufzahlgeschäft“, sagt Lettenbauer ganz offen, der auf die neuen Verhandlungen hofft.
Und noch ein Problem drückt den Geschäftsführer: Angesichts der hohen Arbeitsbelastung und der nach wie vor „mäßigen“Bezahlung der hauptamtlichen Rettungssanitäter und -assistenten von etwa 2400 Euro brutto im Monat befürchtet er anhaltenden Fachkräftemangel für die doch immer relevantere Aufgabe. Bisher arbeiten die Kollegen im Zwei-Schicht-Betrieb für jeweils zwölf Stunden. Die Fahrten dauern teilweise sehr lang, weil bei Bedarf auch bis in die Landkreise NeuburgSchrobenhausen, Dillingen oder Richtung Baden-Württemberg gefahren wird. Pausen müssen nachgewiesen werden, sind in der Praxis aber nicht pauschal einzuhalten.