Umstrittenes Tempolimit
In der Kerschensteiner Straße in Nördlingen hat die Stadt die Zone 30 wegen der Baustelle am Wemdinger Tunnel verlängert. Warum der Polizei das nicht gefällt
In der Kerschensteiner Straße hat die Stadt Nördlingen die Zone 30 verlängert – Hintergrund ist die Baustelle Wemdinger Tunnel. Der Polizei gefällt das nicht.
Auf der Kerschensteiner Straße geht es an diesem Nachmittag beschaulich zu. Die Sonne spitzelt durch die dichte Wolkendecke, die Vögel zwitschern, die Blumen in den Gärten blühen. Nur vereinzelt sind Autos und Lastwagen im Wemdinger Viertel unterwegs.
Von einer „deutlichen Mehrbelastung“durch den Verkehr, die die Stadt Nördlingen in der Kerschensteiner Straße ausgemacht hat, ist zu diesem Zeitpunkt wenig zu spüren. Am Abend jedoch, wenn Berufstätige sich auf den Weg nach Hause machen, wird dort wohl mehr Betrieb herrschen. Seit der Umbau des Wemdinger Tunnels begonnen hat – und die Unterführung für den Verkehr gesperrt wurde – ist die Kerschensteiner Straße zu einer Hauptverkehrsader geworden. Über sie und anschließend über die Augsburger Straße führt momentan der kürzeste Weg vom Wemdinger Viertel in die Innenstadt. Die Anwohner sind von der aktuellen Situation nicht begeistert – meint zumindest die Stadt. Bei Oberbürgermeister Hermann Faul seien in den ersten Tagen und Wochen nach dem Baubeginn am Wemdinger Tunnel zahlreiche Beschwerden eingegangen, sagt der Leiter des Ordnungsamts, Jürgen Landgraf.
Es sei wegen der vielen Autos schwierig, die Straße zu überqueren, hätten die Leute beispielsweise geklagt, erzählt Landgrafs Stellvertreter, Daniel Wizinger. Etwa an der Kreuzung Wagga-Wagga-Straße, Kerschensteiner Straße und Egerländer Straße, wo viele Busfahrgäste die Fahrbahn überqueren müssten, habe es Probleme gegeben, auch im Bereich „Am Hohen Weg“und der Christian-Ewig-Straße, wo die 30er-Zone ursprünglich endete, hätten sich Anwohner schwer getan. Die Strecke sei dort nicht so gut einsehbar. Der Oberbürgermeister handelte schnell. Er setzte sich mit dem Ordnungsamt in Verbindung, gemeinsam verdoppelten sie die Länge der Zone 30, die seitdem nahezu den kompletten Streckenabschnitt zwischen Wemdinger Straße und Augsburger Straße umfasst. So solle auch bei erhöhtem Verkehrsaufkommen die Sicherheit gewährleistet werden. Die zuvor klagenden Anwohner waren nun zufrieden, die Stadt auch. Alles gut also?
Nicht ganz. Denn eine Partei wurde außen vor gelassen: Die Polizei. Markus Bettinger, der sich bei der PI Nördlingen um Verkehrsangelegenheiten kümmert, sagt: „Für gewöhnlich werden wir im Vorfeld gebeten, eine Stellungnahme abzugeben.“In diesem Fall sei jedoch keine Anfrage bei ihm eingegangen. Die genauen Beweggründe für das Verlängern der Zone 30 seien der Polizei zunächst nicht einmal bekannt gewesen. Dass in dem Bereich nun mehr Fahrzeuge unterwegs seien, könne man an der stets vollen Spur für Linksabbieger auf der Augsburger Straße erkennen. Aber wie viel höher das Verkehrsaufkom- men wirklich ausfällt, könne nur eine Verkehrszählung zeigen. Die hat die Stadt nicht durchführen lassen. Auch auf einen Ortstermin, wie er bei solchen Änderungen der Geschwindigkeitsbeschränkungen oft gemacht werde, habe die Stadt verzichtet. Und wenn das Ordnungsamt die Polizei gefragt hätte? „Dann hätten wir unsere Bedenken geäußert“, sagt Bettinger.
Die Kerschensteiner Straße sei breit ausgebaut, für Fußgänger und Radfahrer gebe es separate Wege und am Rand der Fahrbahn würden dichte Bepflanzung und Erdwälle die Anwohner vor Lärm schützen. Das alles spreche gegen die Notwendigkeit einer Zone 30. Schon über den Bereich zwischen Wemdinger Straße bis Christian-Ewig-Straße habe man streiten können. Die Erweiterung sei aber erst recht nicht notwendig gewesen. Die Polizei bezweifle, dass die rechtliche Grundlage – besondere Umstände müssen vorliegen, um die Richtgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde zu beschränken – für die Zone 30 hier vorliege. Es befinde sich schließlich kein Kindergarten oder eine Schule an der Straße.
Die Stadt sieht das anders. Es sei sogar denkbar, die verlängerte 30erZone auch nach der Fertigstellung der Wemdinger Unterführung bestehen zu lassen. „Wir müssen schauen, wie sich das Verkehrsaufkommen dann verändert“, sagt Jürgen Landgraf.