Erdogan macht Kritiker mundtot
Eine Wikipedia-Sperre, neue Massenentlassungen und ein Polizeieinsatz mit Tränengas, der in Istanbul einen Protestmarsch zum 1. Mai stoppte. Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten
Istanbul wird. Die angesehene Kolumnistin Nuray Mert schrieb in der
die Repression sei so stark geworden, dass sie sich das demokratisch mangelhafte Regie- der Vergangenheit zurückwünsche. Bei Mai-Kundgebungen gingen die Behörden am Montag erneut gegen mutmaßlichen Dissens vor. Laut Medienberichten wurden bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten in Istanbul mehr als 200 Menschen festgenommen.
Die Oppositionspartei CHP kritisierte, die Regierung hebe mithilfe des Ausnahmezustandes, der seit dem Putschversuch vom Juli in Kraft ist, die Grundrechte der Bürger auf. Ein Erlass hatte am Wochenende die Entlassung von weiteren 4000 Beamten in Ministerien, dem Verfassungsgericht, der Wahlkommission und anderer Institutionen als mutmaßliche Anhänger des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen angeordnet. Das Innenministerium teilte mit, weitere 2600 Verdächtige seien vorige Woche bei Anrungssystem titerror-Aktionen gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger und militante Kurden festgenommen worden.
Laut Medienberichten plant Erdogan auch eine Säuberungswelle in der Regierungspartei AKP. An diesem Dienstag will der Staatspräsident offiziell wieder in die AKP eintreten: Damit geht in der Türkei die Zeit des parteiunabhängigen Staatspräsidenten zu Ende. Nachdem Erdogans Parteimitgliedschaft durch das Referendum ermöglicht wurde, will der 63-Jährige bald in einem Sonderparteitag auch den Parteivorsitz wieder übernehmen.
Per Erlass wurden auch Heiratssendungen im Fernsehen verboten. Die Fernsehaufsicht erlegt zwei Sendern zudem ein Bußgeld auf,
Heiratssendungen im Fernsehen verboten
weil die Modeschau der DessousMarke Victoria’s Secret als „Teil der türkischen Tradition“bezeichnet worden sei. Damit schadeten die Sender der moralischen Entwicklung von Kindern.
Erdogan kritisierte die USA erneut wegen der Unterstützung der syrischen Kurden. In den vergangenen Tagen waren US-Militärfahrzeuge nahe der türkischen Grenze in Nordsyrien aufgetaucht, wo sie demonstrativ kurdische Milizionäre schützten; die Türkei hatte bei Luftangriffen vergangene Woche in der Gegend rund 70 Kurdenkämpfer getötet. Präsident Erdogan drohte jetzt mit neuen Angriffen. Auch Russland verstärkte laut Medienberichten seine Militärpräsenz entlang der türkischen Grenze in Syrien.