Weiß, grün, köstlich!
Bei Karin Wurst dreht sich vieles um den Spargel. Die ehemalige Fachlehrerin für Ernährung hat ihr zweites Kochbuch dazu veröffentlicht. Hier gibt sie Tipps und verrät Zubereitungsvarianten von pikant bis süß
S pargel ist wieder in aller Munde, denn jetzt ist seine Saison – zumal in Deutschland, das mit 22 000 Hektar Anbaufläche als weltweit drittgrößtes Anbauland nach China (70 000 Hektar) und Peru (25 000 Hektar) gilt. Damit das königliche Gemüse zum Genuss wird, gibt es einiges zu beachten. Zart sollen sie ja sein, die weißen oder grünen Stangen – aber auf keine Fall zu weich. Mit Schinken und Sauce Hollandaise gelten sie als Klassiker – doch muss es immer klassisch sein oder geht’s auch mal exotisch? Und warum eigentlich ist der Spargel so gesund?
Antworten auf diese Fragen und andere mehr hat Karin Wurst aus Rain. Sie war nicht nur knapp 40 Jahre lang Lehrerin für Hauswirtschaft, sondern steht generell leidenschaftlich gern am Herd. Dem Spargel hat sie nun schon ihr zweites Kochbuch gewidmet. Sie liebt es, traditionelle Rezepte, die sie noch von ihrer Mutter und Großmutter kennt, immer wieder neu und kreativ zu variieren. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Karin Wurst Einblicke in ihre persönliche Leidenschaft zum Spargel, aber auch interessante Informationen und hilfreiche Tipps rund um das edle Gemüse. Frau Wurst, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Spargelbuch zu schreiben? Wurst: Die Anregung zu einem Spargelkochbuch hat mir meine Schwester Gudrun 1997 gegeben. Sie und ihre Familie haben in Thüringen erstmals 1992 Spargel kultiviert und bauen ihn seitdem dort sehr erfolgreich an. Aufgrund dessen ist im Jahr 2000 mein erstes Buch „Spargelgerichte“entstanden, das ich am PC selbst gestaltet, am Drucker ausgedruckt und mit einem Drahtbindegerät gebunden habe. Es waren damals 47 Rezepte. Mein Neffe hat mich dann 2010 inspiriert, dieses Buch neu zu überarbeiten. Und nun also gibt es die erweiterte Neuausgabe. Gibt es nicht schon reichlich Spargelrezepte? Was ist das besondere an Ihrem Buch? Wurst: In meinem Saisonkochbuch „Spargelzeit“finden sich alle Spargelrezepte, die man kennen sollte, außerdem ist es sehr praxisnah. Alle Rezepte sind erprobt und so geschrieben, dass sie leicht nachkochbar sind. Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, wie man Rezepte gut verständlich aufbereitet. Die Lebensmittel sind problemlos zu besorgen, die Zutaten im Rezept sind gleichzeitig die Einkaufsliste. Die Rezepte sind so angelegt, dass Geschmackszutaten, Kräuter, Spargelarten, Flüssigkeiten und Milchprodukte abgeändert werden können. Verzichtet habe ich weitgehend auf industrielle Hilfsmittel. Die Kräuter sind mit Foto und Beschreibung beziehungsweise Anwendung beim jeweiligen Rezept dabei. So kann jeder das Rezept nach eigenem Geschmack zubereiten. Besonders für Vegetarier sind sehr viele Möglichkeiten der Innovation gegeben. Haben Sie alle Rezepte selbst „erfunden“? Wurst: Ich habe viele verschiedene Rezepte gesammelt, etwa aus Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendungen. Immer wieder habe ich diese ausprobiert, abgeändert und an Zusammensetzung und Zubereitung gefeilt. Mit meiner Familie und Freunden habe ich dann die Ergebnisse probiert und bewertet, bis sie meinen Ansprüchen genügt haben. Einige Rezepte stammen von meinen Eltern und von meinen Großeltern aus dem ehemaligen Rainer Gasthof Schmelcher. Die Familie Schmelcher, aus der ich stamme, hat damals im eigenen Garten schon Spargel angebaut. Manche Rezepte stammen aber auch direkt von mir. Sie sind eine Kombination aus Eindrücken und Ausprobieren. Sie sind ausgebildete Hauswirtschaftslehrerin und somit auch ein Profi am Herd. Was macht aus Ihrer Sicht den Spargel als Lebens- und Genussmittel so interessant? Wurst: Ich war Fachberaterin/Lehrerin für Ernährung und Gestaltung am Staatlichen Schulamt Do- nau-Ries und habe fast 40 Jahre lang auch das Fach Hauswirtschaft an der Gebrüder-Lachner-Mittelschule in Rain unterrichtet. Beim Spargel habe ich festgestellt, dass man ihn entweder mag oder nicht mag. Die ihn mögen, essen ihn wegen seines unvergleichbaren Geschmacks. Aber dieses königliche Gemüse hat auch ernährungsphysiologisch einiges in sich.
Sein botanischer Name ist Asperagus officinalis (lateinisch Arznei) und zeigt schon, dass er früher hauptsächlich als Heilmittel verwendet wurde. Deshalb finden sich in Mitteleuropa ab dem 16. Jahrhundert vorwiegend in Klöstern Aufzeichnungen zu Anbau und Wirkung. Spargel ist sehr kalorienarm, ballaststoffreich, enthält wichtige Vitamine und Mineralstoffe, fördert die Nierentätigkeit und enthält bioaktive Substanzen.
Schon der Gedanke an ein schönes Spargelessen hebt die Stimmung, wie ich finde. Spargel kann aphrodisierend wirken. Die enthaltene Folsäure (mehr davon hat der grüne Spargel) kann gegen Stimmungsschwankungen helfen und depressive Gemütszustände reduzieren. Wie servieren Sie persönlich Spargel am liebsten? Was ist Ihr Favorit? Wurst: Da Spargel ein Saisongemüse ist, serviere ich ihn immer frisch. Für mich gilt üblicherweise: morgens gestochen, mittags/abends gegessen. Die Stangen schneide ich auf 16 bis 18 Zentimeter Länge gleich lang, denn der Geschmack sitzt vor allem im Kopf, im oberen Drittel der Spargelstange. Ich serviere ihn meist bissfest, das ist elementar für den nussigen, dezent bitteren Geschmack. Dieser kommt von der Bodenbeschaffenheit je nach Anbaugebiet (mineralstoffhaltig, lehmig, sandig). Ich bevorzuge das Garen im Dampfgarer, da bleibt der pure Geschmack des Spargels am besten erhalten. Dazu reiche ich gerne drei verschiedene Soßen: zum Beispiel Tomaten-SafranSauce, Frischkäse-Sauce und Bärlauch-Dip mit neuen Kartoffeln. Das ergibt auf dem Teller eine RotWeiß-Grün-Farbkombination. Denn man darf ja nicht vergessen: Auch die Optik macht was her.
kochen? Wie gart man Spargel so schonend wie möglich? Oder ist das egal?
Wurst: Es kommt jeweils auf das Gericht an, das man zubereiten will. Spargel kann man dämpfen, kochen, dünsten, braten, backen, grillen und als Rohkost zubereiten. Beim Dämpfen bleiben die Nährstoffe und der typische Spargelgeschmack am besten erhalten. Kochen sollte man ihn in möglichst wenig Flüssigkeit. Die Kochflüssigkeit (Spargelsud) sollte man dann weiterverwenden für das Gericht oder als Suppengrundlage. In meinen Rezepten ist die Flüssigkeitsmenge genau angegeben, sie ist meist zum Weiterverbrauch im Gericht bestimmt. Was kann man beim Spargelkochen falsch machen? Wurst: Man darf Spargel nicht zu weich garen, denn er gart etwas nach. Über die Garzeit streiten sich Kenner. Sie richtet sich immer nach dem eigenen Geschmack. Außerdem spielen Frische und Dicke der Stangen eine Rolle. Ich vergleiche es gerne mit dem Spaghettikochen. Deshalb eine Garprobe machen: Entweder mit einem dünnen spitzen Gegenstand hineinstechen oder auf die Gabel legen. Je mehr sich die Stange biegt, desto weicher wurde der Spargel gegart. Und was heiß das konkret für die Dauer der Garzeit? Wurst: Die Garzeit hängt natürlich zunächst von der Dicke der Stangen ab und von persönlichen Vorlieben. Einer meiner Freunde etwa mag Spargel, der nur sechs Minuten gegart wird. Früher hat man den Spargel tatsächlich etwas weicher gekocht, sodass er regelrecht über der Gabel hing. Das lag aber auch daran, dass die früheren Knigge-Regeln es nicht erlaubt haben, Spargel mit dem Messer zu schneiden. Er wurde deshalb besonders weich gekocht. Heute bereitet man ihn eher bissfest zu.
Es gibt verschiedene Spargelsorten: Rambo, Gromlin, Cumulus – insgesamt weit mehr als hundert verschiedene Sorten. Cumulus ist eine frühe Sorte mit hohem Ertragspotenzial, geraden, dicken weißen Stangen mit geschlossenen Köpfen und guter Folienverträglichkeit. Bacchus ist eine frühe Grünspargelsorte, zu hundert Prozent anthocyanfrei und mit hohen Erträgen. Seine vergleichsweise dicken Stangen haben gut geschlossene Köpfe. Und wie sieht es mit den Nährstoffen und dem Geschmack aus? Wurst: Grüner Spargel enthält mehr Vitamin C und Folsäue als weißer. Der Mineralstoffgehalt richtet sich nach dem Boden, in dem der Spargel wächst. Weißer Spargel hat eine nussige, dezent bittere Geschmacksnote. Grüner Spargel enthält mehr Bitterstoffe und schmeckt intensiver. Auch bei Garzeit und Vorbereitung gibt es Unterschiede: Grüner Spargel hat eine kürzere Garzeit und braucht nicht geschält zu werden, beziehungsweise nur im unteren Drittel. Jüngere Leute bevorzugen mehr den grünen Spargel. Gibt es einen Geheimtipp bei der Spargelzubereitung? Wurst: Es sind keine Geheimtipps, aber elementar für ein gutes Gelingen sind folgende Ratschläge: Frische Lebensmittel verwenden. Weißer Spargel hält sich – in ein feuchtes Tuch gewickelt – im Kühlschrank zwei Tage frisch, grünen Spargel stehend in wenig Wasser. Beim Schälen soll man ab der Mitte der Stange mehr Druck ausüben, denn unten ist die Schale fester. Das Ende kann man mit den Fingern abbrechen oder mit einem Messer abschneiden. Die Spargelschalen und die Endstücke auskochen, den Sud weiterverwenden zur Suppe oder reduzieren (Spargelessenz) und eingefrieren. Und wie bereiten Sie Ihren Spargelsud zu? Wurst: Das Kochwasser wird mit Salz und Zucker gewürzt, damit der Eigengeschmack erhalten bleibt. Wein, Butter, Zitronensaft, Gemüsebrühe und anderes mehr sind mögliche Zutaten zur Geschmacksveränderung. Gibt man zum Beispiel Orangensaft mit ins Kochwasser, bekommt der Spargel einen süßlichen Geschmack. Was ist das exotischste Ihrer Spargelgerichte?
Wurst: Alle Spargelgerichte außer „Spargel mit Hollandaise“sind exotisch. Ich würde es eher als kreative Abwandlungen bezeichnen, wobei mir persönlich die Faustregel „Das Einfache ist zumeist das Gute“sehr am Herzen liegt. Pure und klare Gerichte mit guten Zutaten sollen überzeugen. Es gibt so viele leckere Rezepte in meinem Kochbuch, dass man sich am besten gar nicht für eines entscheidet, sondern in der kurzen Spargelzeit möglichst viele davon ausprobiert. Enthalten sind 99 innovative und erfinderische Zubereitungsarten. Darunter beispielsweise Spargel fein geschnitten als Carpaccio, oder in der Pfanne gebraten. Jumbo-Spargel eignet sich hervorragend zum Panieren. Dazu muss man ihn in der Pfanne ausbacken oder mit Rapsöl frittieren. Kann man Spargel auch als Süßspeise zubereiten? Wurst: Spargelsüßspeisen werden immer beliebter. Das Rezept „Spargel-Mäusle“mit Weinschaum an marinierten Erdbeeren in meinem Buch stammt aus dem Jahr 2000 und ist immer noch aktuell. Spargel und Erdbeeren, aber auch Spargel und Schokolade harmonieren ausgesprochen gut miteinander. Ich habe schon wieder neue Ideen, die ich ausprobieren will und die ich dann auf meiner Homepage www.karinwurst.de veröffentliche. In Vorbereitung sind „Karamelisierter Spargel mit Erdbeeren“, „Spargel-Mousse“und „Spargel-Cappuccino“.