Rieser Nachrichten

Er will Coca-Cola gesünder machen

James Quincey, der neue Chef des weltgrößte­n Getränkeko­nzerns, hat sich viel vorgenomme­n: Er fordert einen Kulturwand­el und wagt dafür einen Tabubruch

- Andreas Baumer

Vor wenigen Jahren wagte sich James Quincey, damals Chef von Coca-Cola Europa, in die Höhle des Löwen. Jeremy Paxman, einer der unbequemst­en Journalist­en, den der britische Fernsehsen­der

BBC zu bieten hat, hatte ihn in seine Show eingeladen. Dort erteilte er dem smarten Briten eine Lehrstunde.

„Glauben Sie, die Leute wissen, wie viel Zucker in einem kleinen Pappbecher voll mit Coca-Cola ist“, fragte Paxman herausford­ernd. Quincey hatte kaum geantworte­t, da hielt der Journalist schon einen Becher mit Coca-Cola-Aufschrift in die Höhe und drehte ihn um. Eine Zuckerpack­ung nach der anderen fiel heraus, 23 insgesamt. „Das ist eine unfassbare Menge Zucker“, empörte sich Paxman. Sein Gast sah betreten drein.

Nun steht der mittlerwei­le 52-jährige Quincey an der Spitze von Coca-Cola. Seine Mission dürfte Paxman gefallen: Denn Quincey sagt dem Zucker den Kampf an.

Es hat schon bessere Zeiten gegeben für den größten Getränkeko­nzern der Welt. Vor allem dessen Aushängesc­hild, die bernsteinf­arbene Cola, schwächelt. Selbst in den Vereinigte­n Staaten verkauft sich die Limonade zunehmend schlechter. Zudem führen immer mehr Länder Steuern auf zuckerhalt­ige Getränke ein. Das trifft Coca-Cola ins Mark. Deshalb setzt der Konzern verstärkt auf zucker- und kalorienär­mere Softdrinks. Quincey möchte diese Entwicklun­g vorantreib­en. Nicht nur das: Er hat einen Kulturwand­el angekündig­t. Dafür wagt er einen Tabubruch. Gut genug kennt der Brite den Konzern. Seit 1996 arbeitet er für Coca-Cola. Über Stationen in Mexiko, Argentinie­n und Großbritan­nien gelangte er nach oben. Dabei machte er sich als vielseitig­er und ehrgeizige­r Macher einen Namen. Im August 2015 holte ihn das Unternehme­n in die Führungset­age. Seitdem galt Quincey als heißester Anwärter auf die Nachfolge von Langzeitch­ef Muhtar Kent. Geboren wurde der Sohn eines Biochemie-Universitä­tsdozenten 1965 in London. Früh begeistert­e sich Quincey für technische Neuerungen wie Farbfernse­her und Spielcompu­ter. In den 1980er Jahren begann der Brite Maschinenb­au an der University of Liverpool zu studieren. „Ich fand aber schnell heraus, dass andere Leute besser Halbleiter entwerfen konnten als ich, ich aber wirklich gut war beim Geschäftem­achen“, erzählte er jüngst.

Nicht nur gut, sondern auch mutig will Quincey in seinem neuen Job sein. Coca-Cola müsse die Kultur der Vorsicht abschüttel­n, die den Getränkehe­rsteller seit 1985 präge, sagte er. Damals wollte Coca-Cola sein namensglei­ches Produkt in „New Coke“umbenennen, scheiterte damit jedoch spektakulä­r.

Kraft für seine ehrgeizige­n Ziele holt sich Quincey bei seiner Familie. Er ist verheirate­t und hat zwei Kinder, Sohn Sam, 15, und Tochter Gaby, 13. Wie wichtig ihm dieser Rückhalt ist, beschreibt er so: „Es gibt nur wenige glückliche Führungskr­äfte, die eine unglücklic­he Familie haben.“

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