Das große Unbehagen in der Strandpension
Andrea Breth macht aus Harold Pinters Stück ein präzises Geduldsspiel der Theaterkunst
So viel Geduld mit dem gewöhnlichen Leben, in dem es immer Cornflakes und leere Worte zum Frühstück gibt, muss man erst einmal aufbringen. Andrea Breth lullt uns ein in ihrer Inszenierung von Harold Pinters „Geburtstagsfeier“. Auf der Bühne dehnt sich die Zeit, sie verwelkt gleichsam, der Strandhafer wächst in der vergilbten Pension von Meg (Nina Petri) und Petey (Pierre Siegenthaler), die seit einem Jahr nur einen einzigen Gast beherbergen: Stanley (Max Simonischek). Er verbringt seine Tage damit, zu verwahrlosen.
Es scheint, er habe sich einem Schicksal ergeben, für das es keine Erklärung gibt. Meg himmelt ihn an – er aber ist ein oft launiger Gast. Angeblich ist er ein großer Pianist. Versteckt er sich? Kapselt er sich ein in Ratlosigkeit vor dem Leben drau- Wartet er auf etwas? Als zwei sehr bestimmt auftretende Herren in grauen Anzügen sich in der Pension einquartieren, Goldberg (Roland Koch) und McCann mit Namen (herrlich hessisch redend: Oliver Stokowski), wird es unheimlich. Sie haben es auf Stanley abgesehen, dem sie „Verrat an der Organisation“vorwerfen und den sie in einem Verhör gnadenlos überwältigen und nach einer gespenstischen Geburtstagsfeier mitnehmen. Am Ende eines erbarmungslos unaufhaltsamen Geschehens ist Stanley, der rätselhafte Künstler und Intellektuelle, nur noch ein apathisches Geschöpf.
Harold Pinters aus der Vergessenheit geholtes, vieldeutiges Stück, entstanden Ende der 1950er Jahre, ist nahe an der Absurdität Becketts, spielt aber auch mit populären Genres wie Krimi und kann als Komödie gelesen werden. Das tut Andrea Breth in ihrer Salzburger Inszenierung, einer Co-Produktion mit dem Burgtheater Wien, nicht. Sie legt mit langem Atem und chirurgischer Präzision frei, was unter der Oberfläche des zivilisierten, normierten, „gebändigten“Lebens lauert, gärt und revoltiert. Aufgerufen sind die unwägbaren Gegenkräfte zum Konformitätsdruck, den Gesellschaft, Religion, Konvention ausüben. Solche Gegenkräfte speisen sich aus Träumen und Erinnerungen, Ängsten, Wut, Trieb und Verlangen, Sehnsüchten, Selbstzweifeln.
Wie geduldig Breth und ihr großartiges Ensemble die tektonischen Kräfte unterschwellig aufbauen, ist meisterhaft, verlangt den Zuschauern im Landestheater Salzburg aber konzentrierte Mitarbeit ab. Die Wucht und Expressivität der wenißen? in Hallein wieder am 31. Juli, 1., 4., 5., 6., 8. und 9. August gen, dafür umso heftigeren Ausbrüche potenzieren das Unbehagen, das in der Pension eingezogen ist. Da drischt Stanley plötzlich wie besessen auf die Kindertrommel ein, die ihm Meg geschenkt hat. Goldberg und McCann steigern ihr Verhör in ein infernalisches Gebrüll. Wie ihre freundlichen Gesten blitzartig in Gewalt umschlagen, wie aber auch diese grauen Herren, die für ein „Leben auf Linie“einstehen, Getriebene und Opfer ihrer inneren Widersprüche sind – das zeigt diese dreistündige Beschwörung subtiler Theaterkunst.
„Man kann nirgendwo hingehen“, sagt Stanley – denn uns selbst entkommen wir nicht. O
Aufführungen am 31. Juli und am 2., 3., 5., 7., 10., 12. und 13. August