Mit dem Roller da
Mal anders runter ins Tal
Ja, es fühlt sich anfangs etwas komisch an. Helm auf. Erste Testfahrt. Links Vorderradbremse, rechts Hinterradbremse. Wie am Fahrrad. Aber man muss sich schon ein wenig eingrooven und bekannt machen mit seinem Bergroller, sonst überholt einen beim Bremsen schnell das Hinterrad. Was ja in steileren Passagen nicht so optimal wäre. Die Kinder, die täglich mit dem Roller zur Schule unterwegs sind, haben eindeutig einen Vorteil gegenüber den Erwachsenen. Schwupp, weg sind sie. Gut, dass wir Haltepunkte ausgemacht haben... Aber mit wachsender Sicherheit saust es sich ziemlich flott in Richtung Tal. Was für ein Spaß!
Wir sind im Berwangertal unterwegs. Selten sind die Kinder so fix auf den Almkopf gestiegen, wo an der Bergstation die Roller und Helme ausgegeben werden. Hinunter geht es erst über steilere, geröllige Wege, dann weiter auf glattem Asphalt. Hier kann man dann schon erste Kunststückchen ausprobieren. In die Hocke gehen zum Beispiel. Das jetzt aber bitte nicht den Kindern verraten ...
Kleine, gelbe Pfeile weisen den Weg. Am Freibad vorbei geht’s durch Berwang, dann führt die Route ins Tal auf dem alten Weg bis hinunter nach Bichlbach. Das ist landschaftlich die schönste und abwechslungsreichste Strecke. Wir flitzen an alten Häusern, hölzernen Marterln, bunten Bauerngärten vorbei – fast zu schnell, um all die Details wahrzunehmen. Aber Anhalten geht gerade leider nicht; es saust sich gerade zu geschmeidig.
Gut, dass es ein paar Gatterl gibt, die geöffnet und geschlossen werden müssen, einem keine Wahl lassen, als abzusteigen. Beste Gelegenheit, sich also mal umzusehen. Längst ist der Bach mit seinem stetigen Gemurmel unser Begleiter, es geht jetzt entspannt über nur leicht abschüssige Waldwege ins Tal.
Gemütliche eineinhalb Stunden brauchen wir für die fast zehn Kilometer lange Strecke, dann ist die Liftstation in Bichlbach die Endstation. Zufälle verlieren nie ihre Faszination. Kaum sagen wir dem netten Taxifahrer am Flughafen von Stockholm, wo wir hin möchten, in den neuen Stadtteil Hammarby nämlich, antwortet er: „Kein Problem, ich kenne mich aus, da wohne ich.“Und schon sind wir mitten im Gespräch. Dass Stockholm zu den am stärksten wachsenden Hauptstädten Europas zählt und das komplett neue Viertel Hammarby dafür eigentlich der beste Beweis sei. Dass seine Frau es war, die in eine dieser modernen Wohnungen ziehen wollte, und er sich zwar so langsam auch wohl fühle, er aber vieles zu künstlich, als zu wenig gewachsen empfinde. Alles sei halt noch so neu. Aber langsam werde es, sagt er und lächelt.
Ursprünglich sei das Viertel für die Bedürfnisse älterer Leute konzipiert worden, mittlerweile wohnen aber auch viele Familien hier. Die mögen das Leben am Wasser mit einem kleinen Fährhafen, Kanälen die sich durch die Gebäudereihen ziehen, Sitzinseln in der Sonne mitten ins Wasser gebaut. Stadtplaner und Architekten kämen mittlerweile aus der ganzen Welt, um zu sehen, wie aus der alten, heruntergekommenen Industriebrache ein moderner Stadtteil wurde.
Hier steht ein moderner Häuserblock neben dem nächsten. Und so ein Häuserblock mit viel Glas und klaren Linien an der Fassade ist auch das Motel L, das seinen Namen von seiner L-Form um eine Straßenecke hat. Ein riesiges Haus mit langen Gängen zu den Zimmern, die klein, hell, bunt und funktional eingerichtet sind, einer bunten stylischen Lobby, in der auch gefrühstückt wird.
Unter der Woche, wenn weniger Gäste da sind, funktioniert auch alles gut, sogar Zimtschnecken gibt es und Knäckebrot sowieso. Im Wochenendbetrieb, wenn die Städtereisenden nach Stockholm strömen, ist das Motel L deutlich an seinen Kapazitätsgrenzen. Keine Sitzplätze mehr in der Frühstückslobby, kein Besteck mehr, keine Teller, keine Zimtschnecken – und keine Ahnung, wo der nette Taxifahrer und seine Frau wohnen. Da gäb’s bestimmt alles.