Journalistin aus Neu Ulm drohen 15 Jahre Haft
Die Familie von Mesale Tolu ist geschockt. Was wird aus dem kleinen Sohn?
Neu Ulm/Augsburg Bittere Nachrichten für Mesale Tolu: Der NeuUlmer Journalistin, die in der Türkei in Untersuchungshaft sitzt, droht bei einer Verurteilung wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine langjährige Haftstrafe. Nach Informationen der linken Nachrichtenagentur Etha, für die die 33-Jährige selbst gearbeitet hat, fordert die Staatsanwaltschaft eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren.
Mitte Oktober steht Mesale Tolu mit 17 weiteren Journalisten vor Gericht – eine Folge der Säuberungswellen, mit denen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seit dem missglückten Putsch im vergangenen Jahr gegen Andersdenkende vorgeht. Mesale Tolu wurde am 30. April festgenommen, nachdem Polizisten einer Anti-Terror-Einheit mitten in der Nacht ihre Wohnung gestürmt hatten. Obwohl ihr als deutscher Staatsbürgerin entsprechende Betreuung zusteht, erlangte das deutsche Konsulat in Istanbul erst nach langem Drängen Zugang zu ihr.
Familie und Freunde der jungen Mutter sind angesichts der Forderung der Staatsanwaltschaft schockiert: „Wir wissen ehrlich gesagt nicht mehr weiter“, betonte Mesale Tolus Tante Silvia gegenüber unserer Zeitung. Bislang hatten ihre Angehörigen gehofft, dass sie nach einem Haftüberprüfungstermin am 22. August bis zur Verhandlung vorläufig freigelassen wird. „Das werden die jetzt niemals machen“, ist sich Silvia Tolu sicher. Sie hofft, dass sich die deutschen Behörden nun verstärkt in den Fall einschalten. Wörtlich sagte sie: „Sie haben sich natürlich um Mesale gekümmert, aber es muss jetzt mehr passieren.“Es sei einfach „traurig, was da passiert“– gerade im Hinblick auf Serkan, den zweijährigen Sohn von Mesale Tolu, der bei seiner Mutter im Gefängnis lebt. Sein Vater Suat Corlu, Tolus Ehemann, wurde schon Wochen vor seiner Frau festgenommen. Wie es in seinem Fall weitergeht, ist unklar. Sollte Mesale Tolu tatsächlich zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt werden, will die Familie das Kind auf jeden Fall zu sich holen.
Das Auswärtige Amt hat sich in Ankara mehrfach dafür eingesetzt, dass die Journalistin und weitere inhaftierte Deutsche freigelassen werden – bislang ohne Erfolg. Auf Anfrage verwies eine Sprecherin des Ministeriums gestern auf frühere Erklärungen, nach denen die Vorwürfe unberechtigt und an den Haaren herbeigezogen seien und die Regierung in Ankara die neun in der Türkei inhaftierten Deutschen nicht zu ihren Geiseln machen dürfe. Der Arbeitgeber des ebenfalls inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der Verlag Welt/N24, hat inzwischen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht.