Dem Bösen auf der Spur
Weshalb ein Pfarrer Krimis schreibt
Was fasziniert Sie am Genre Krimi?
Felix Leibrock: Die Frage nach der Herkunft des Bösen. Die äußerste Form des Bösen ist der Mord. Warum morden Menschen? Das habe ich mich schon als Kind gefragt. Damals war ich mit dem Thema hautnah konfrontiert: Der Nachbarssohn, etwa 20 Jahre älter als ich, wurde von der Polizei als Doppelmörder gesucht. Als Junge war ich davon gebannt: Wie kann es so etwas geben? Seither gehe ich dieser Frage nach – und habe bis heute noch keine Antwort gefunden. Die Mordszenen Ihrer Bücher sind durchaus drastisch. Gibt es Themen, über die Sie nicht schreiben würden?
Leibrock: Das ganze Feld der Pädophilie, da sperrt sich etwas in mir. Ich finde, das passt auch nicht zur Gattung Krimi. Aber sonst: wie das Leben so spielt. Jeder Schauplatz ist möglich, jedes Verbrechen denkbar. Durch meine Tätigkeit als Polizeiseelsorger bekomme ich viel mit. Man glaubt es nicht, was Menschen sich alles ausdenken, wenn sie ein Verbrechen begehen wollen. Sind Sie mehr Pfarrer oder mehr Schriftsteller?
Leibrock: Ohne Literatur könnte ich nicht Pfarrer sein. Belletristik und Lyrik sind ideale Stichwortgeber für Predigten: Sie sprechen die existenziellen Probleme der Menschen an. Wenn Konstantin Wecker über seine Lebenskrise in den Jahren seiner Drogenabhängigkeit schreibt, über den Gott, den er in sich findet – dann ist das Meister Eckhart pur. Auf der anderen Seite bringe ich gern kirchliche Themen in meine Bücher. Kirche ist ein Teil der Welt: Da darf schon mal der Pfarrer zu einem Todesfall kommen. Einen Pfarrer als Ermittler kann ich mir aber nicht vorstellen. Das ging vor 100 Jahren – heute, mit all der Ermittlungstechnik im Labor, wäre das sehr konstruiert. Aber ein Polizeiseelsorger als Kriminalist würde vielleicht gehen. Warum braucht die Kirche Krimis?
Leibrock: Von Krimis kann man lernen, wie man Spannung erzeugt. Kirche ist ja häufig nicht sehr spannend, oft sogar als langweilig stigmatisiert. Mehr Spannung täte vielen Predigten, Sitzungen und Veranstaltungen gut. Außerdem neigt Kirche häufig dazu, dem Bösen auszuweichen, eine heile Welt zu beschreiben. Das finde ich nicht richtig. Krimis regen dazu an, sich mit dem Bösen zu beschäftigen. Interview: Susanne Schröder, epd