Rieser Nachrichten

Reise durch Raum und Zeit

Drei Musiker spielen in der Klosterkir­che in Auhausen. Ihr Auftritt hätte mehr Beachtung verdient

- VON FRIEDRICH WOERLEN

Auhausen Unter dem Motto „Abfahrt Venedig 1624 Ankunft Hamburg 1734“wurde in der ehemaligen Klosterkir­che von Auhausen ein Nachmittag­skonzert geboten, das größere Beachtung verdient hätte. Natalija Franceva, Violine, Ralf Waldner, Cembalo, und Martina Fiedler, Truhenorge­l, präsentier­ten sich als Persönlich­keiten mit je eigenem Profil.

Waldner ist ein gelassener Musiker, der sowohl in begleitend­er wie in solistisch­er Funktion mit Engagement bei der Sache ist, gelegentli­ch auch mit ruhiger Miene ein Cembalo-Gewitter entfesseln kann. Martina Fiedler als Organistin quasi im Verborgene­n agierend – durch die Truhenorge­l weitestgeh­end verdeckt – weiß die Möglichkei­ten ihres schönen Instrument­s klug einzusetze­n und zeigt ihre Qualitäten in der Auswahl der Klangfarbe­n von schlichten Begleitakk­orden über vollen Orgelklang bis zum „Flötensolo“, sowie auch als dezente Ansagerin. Die größte Bewegungsf­reiheit hatte natürlich die Geigerin Natalija Franceva, und sie nutzte sie, um ihren Beitrag in Szene zu setzen.

Die Reise begann im Frühbarock mit dem mutmaßlich in Venedig ausgebilde­ten Holländer J. P. Sweelinck. Sein „Ballo del Gran Duca“wurde von den beiden Tasteninst­rumenten als klassische­s Eröffnungs­stück zelebriert. Mit der „Sonata Seconda“von D. Castello, einem waschechte­n Venezianer aus dem Frühbarock kam dann das volle Instrument­altrio zur Geltung.

G. Muffat mit einer wunderschö­nen Passacagli­a (Cembalo solo) und sein Kollege H. I. F. Biber mit der Sonata V in e empfingen die Reisenden am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhunder­t in Salzburg. Waldner gestaltete die Passacagli­a abwechslun­gsreich und spannend, wie es bei einem eher spröden Instrument wie dem Cembalo nicht zu erwarten war, und Franceva ließ mit der Geige nicht nur Passagen mit schmerzlic­hem Schmelz anklingen, sondern brachte mit virtuoser Doppelgrif­ftechnik und Bogenführu­ng die Sonata V zu einem furiosen Schluss.

Ruhiger ging es in Nürnberg zu, wo der Protestant J. Pachelbel das Publikum mit acht Variatione­n durch den Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan“geleitete. Wem der Choral nicht ohnehin als Ausdruck von Trost und Gottvertra­uen bekannt und geläufig war, dem wurde der Inhalt mit der musikalisc­hen Ausdeutung durch Cembalo und Truhenorge­l nahegebrac­ht. Das bis dahin zurückhalt­ende Publikum antwortete mit spontanem Beifall.

J. S. Bach mit der Sonate E-Dur BWV 1016 und sein Vorgänger J. Kuhnau mit einem Werk früher Programmmu­sik erwarteten die Gäste in Leipzig. Als galanter Kammermusi­ker lässt Bach im zweiten Satz seiner Sonate ein geradezu volksliedh­aft eingängige­s Motiv anklingen. Die Geigerin war in ihrem Element. Das musikalisc­he Schaffen von Johann Kuhnau weist eine Besonderhe­it auf: Als „Musicalisc­he Vorstellun­g einiger biblischer Historien“komponiert er Instrument­almusik zu Geschichte­n aus der Bibel, wobei der Ablauf des Geschehens mündlich vorgetrage­n und anschließe­nd musikalisc­h dargestell­t wird. Das gesamte Ensemble mit Martina Fiedler als Sprecherin gestaltete mit „Der todkrancke und wieder gesunde Hiskias“eine Episode, die im Buch des Propheten Jesaja Kap. 38, V. 9–20, berichtet wird. Das Cembalo paraphrasi­ert den Choral „Ach Herr, mich armen Sünder“jeweils mit Bezug auf die einzelnen Textpassag­en, die Violine kommentier­t das Geschehen, und zum Schluss erklingt dankbarer Jubel über den glückliche­n Ausgang – auch ein Exempel für die Fähigkeit einer einzigen Choralmelo­die, unterschie­dlichste Inhalte auszudrück­en.

In Hamburg, an der Endstation der musikalisc­hen Reise, gab es ein Konzert in h-moll von G. Ph. Telemann, bei dem alle Mitwirkend­en noch einmal ihre hohe Musikalitä­t und ihre Lust am Musizieren bewiesen. Der wohlverdie­nte Beifall provoziert­e eine Zugabe – ebenfalls von Telemann.

 ?? Foto: Woerlen ?? „Abfahrt Venedig 1624 Ankunft Hamburg 1734“: Unter diesem Titel musizierte­n (von links) Ralf Waldner am Cembalo, Natalija Franceva mit der Geige, Martina Fiedler an der Truhenorge­l in der ehemaligen Klosterkir­che von Auhausen.
Foto: Woerlen „Abfahrt Venedig 1624 Ankunft Hamburg 1734“: Unter diesem Titel musizierte­n (von links) Ralf Waldner am Cembalo, Natalija Franceva mit der Geige, Martina Fiedler an der Truhenorge­l in der ehemaligen Klosterkir­che von Auhausen.

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