Eine Straße entzweit die Bürger
Wirtschaft Geda-Dechentreiter will expandieren, aber die Ortsverbindungsstraße zwischen Mertingen und Bäumenheim durchschneidet das Areal. Wie knifflig dies ist
Bäumenheim Liegt die wirtschaftliche Zukunft Bäumenheims östlich der Mertinger Straße? Im Bebauungsplan der Gemeinde ist dies jedenfalls so vorgesehen. Doch im Moment hält die Industriekommune noch genügend Bau-Investitionsland für Unternehmer an der Bundesstraße 2 bereit. Eigentlich ein Anlass, um sich nicht mit einem weiteren Gewerbegebiet beschäftigen zu müssen. Wäre da nicht der Antrag eines der in der Region am stärksten wachsenden Betriebes.
Das Firmengelände von GedaDechentreiter an der Ortsverbindungsstraße zwischen Bäumenheim und Mertingen platze aus allen Nähten, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Johann Sailer. Er hat deshalb gegenüber des bisherigen Firmensitzes eine 50000 Quadratmeter große Fläche gekauft. Dort will er nicht nur Parkplätze schaffen, sondern vor allem eine weitere Expansion des Aufzug- und Liftherstellers ermöglichen. Dazu aber wäre die Verlegung der Straße notwendig, durchschneidet sie nach dem Kauf doch nun das künftige Firmengelände.
Wie sehr der Antrag, die Straße nach Osten zu verschieben, den Menschen in Bäumenheim unter den Nägeln brennt, zeigte sich nun bei einer Infoveranstaltung, zu der Bürgermeister Martin Paninka in Schmutterhalle eingeladen hatte. 350 Interessenten kamen, um zu sehen, welche Planungsvarianten es gibt. Etliche habe man behandelt, so Paninka, drei stellte er vor.
Durch eine neue Straße, die am Werk vorbeiführen könnte, würde die Gemeinde auch ein neues Gewerbegebiet erschließen können. An der bisherigen Mertinger Straße liegen aber eine Autowerkstatt, ein Möbelgeschäft und eine Autowaschanlage. Die Betreiber dieser Firmen befürchten Einbußen, falls der Verkehr nicht mehr direkt an ihren Häusern vorbeiführen würde. Sie wären bei neuer Verkehrsführung in einer Sackgase – und wie sie sagen – „außerhalb der allgemeinen Aufmerksamkeit“. Umsatzeinbußen seien sicher, sogar eine existenzielle Gefährdung, erklärten Adolf N. Franke, Werner Schnuse und Manfred Seel.
Geda-Dechentreiter dagegen argumentiert mit dem Ziel, „für weitere Entwicklungen perfekt aufgestellt zu sein“. Johann Sailer legte ein Bekenntnis für den FirmenStammsitz Bäumenheim ab. Auch die Ideen mit Unter- oder Überführungen der Straße seien geprüft worden, aber zu kostenintensiv. Er versprach nördlich zum Firmengelände eine offene Platzgestaltung und die Schaffung einer öffentlich zugänglichen Kantine, um die betroffenen Firmen mit einzubinden.
Wie Sailer ausführte, wolle er den Kleinbetrieben gerne entgegenkommen. Bei einer Erweiterung des Firmenareals würde das Unternehmen, so der Geschäftsführer, weitere Arbeitsplätze schaffen. Derzeit beschäftigt Geda-Dechentreiter 431 Mitarbeiter. Sailer wollte sich nicht festlegen, was passieren würde, wenn der Gemeinderat die Verlegung der Straße ablehnen wird. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann stehen wir zu hundert Prozent zum Standort Bäumenheim“, erklärte er. Mehrmals appellierte er wie Gemeinderat Nico Hippe (er ist bei der Firma beschäftigt) zu gemeinsamen Lösungsgesprächen.
Eine Neutrassierung des Straßendie verlaufs würde die Kommune in jedem Fall „ordentlich Geld“kosten, wie es ein Besucher formulierte. Je nach Variante, so Bürgermeister Martin Paninka, schwankten die Kosten zwischen 1,3 und 1,6 Millionen, zusätzlich jeweils weiterer 800 000 Euro für die Verlegung von Wasser- und Kanalisationsleitungen. Die Sprecher der Kleinunternehmen verwiesen darauf, dass sich bei einer Unterschriftenaktion 421 Bäumenheimer gegen eine Verlegung der Straße ausgesprochen hätten. Dies sei für sie der Auftrag, bei einer Straßenverlegung ein Bürgerbegehren anzustreben.
Die Infoveranstaltung bekam schließlich eine pikante politische Note. Renate Schnuse berichtete davon, wie sie und ihre Familie ihre Autowerkstatt mit inzwischen einer Handvoll Mitarbeitern aufgebaut hätten, „immer im Vertrauen, dass sich nichts ändert“. Sie sei mehr als überrascht gewesen, als ihr nun ein Gemeinderat angeboten habe, dass das benachbarte Großunternehmen im Gegenzug zu einem Einverständnis für dessen Pläne den Betriebshof ihrer Firma pflastern wolle. Manfred Seel (Linke) sprach von einem Skandal. Die Firma könne dies natürlich als Ausgleich andenken und einen solchen Vorschlag unterbreiten, „nicht aber der zweite Bürgermeister Roland Neubauer“. Seel kündigte an: „Das wird noch Konsequenzen haben.“
Das letzte Wort wird nun der Bäumenheimer Gemeinderat haben. Sowohl das Unternehmen wie die betroffenen Anlieger drängen auf eine Entscheidung. Bürgermeister Paninka kündigte an, das Thema bei der Sitzung am 10. Oktober auf die Tagesordnung zu setzen. Manfred Seel, der in der Verlegung der Straße auch eine Kehrtwende im Zusammenwachsen von Bäumenheim mit Mertingen sieht, glaubt nicht, dass die Entscheidung so schnell fallen werde. Indes ist ungewiss, ob Seel wie auch sein Gremiumskollege Hippe als direkt Beteiligte überhaupt mit abstimmen dürfen. Christian Scholz (SPD) jedenfalls will dies rechtlich prüfen lassen.