Rieser Nachrichten

Zwei Mühlen an der Rohrach

In der Pfladermüh­le mahlt Walter Schröppel noch immer Mehl. In der Wolfsmühle wird Strom erzeugt

- VON GERHARD BECK

Wechingen Kurz bevor die Rohrach bei Wechingen in die Wörnitz einmündet, befinden sich an ihrem Lauf zwei Mühlen. Das Flüsschen entspringt nördlich der Marktgemei­nde Heidenheim am Hahnenkamm und treibt entlang seines Laufs einige Mühlen an. Doch im Ries reihen sich die beiden letzten Mühlen an der Rohrach im Abstand von 700 Metern aneinander.

Die Wolfsmühle wird zum ersten Mal 1312 urkundlich genannt. Sie dürfte aber bereits damals schon einige Jahrhunder­te alt gewesen sein und gehörte zum Kloster Zimmern. In einem Grundbuch aus dem Jahr 1367 wird sie „Mühle, genannt Willing“bezeichnet. Der Name „Willingsmü­hle“wechselt des Öfteren mit der Bezeichnun­g „äußere Mühle“ab. Über mehrere Generation­en trugen die Müller auf diesem Anwesen den Familienna­men Willing. In der Zeit, als sich zwischen dem 14. und 16. Jahrhunder­t die Familienna­men in den Rieser Dörfern herausbild­eten, war es durchaus noch üblich, dass der Besitzer einer Mühle einfach nur Müller oder in diesem Falle eben Willing genannt wurde.

Wie viele Rieser Mühlen wurde auch die Willingsmü­hle in den Wirren des Dreißigjäh­rigen Krieges stark in Mitleidens­chaft gezogen. Nach der Schlacht bei Nördlingen im Jahr 1634 waren die Zeiten dermaßen unsicher, dass sich der damalige Müller seine Wohnung im Nachbardor­f Schwörshei­m nahm und offenbar nur zum Getreidema­hlen in die Mühle kam. Der Hausname „Müller“hat sich dadurch auch in Schwörshei­m auf einem Hof etabliert und bis heute erhalten, obwohl es dort gar keine Mühle gegeben hat.

Frühjahr 1641 wurden durch das Anzünden von Stroh und Heu auf den umliegende­n Feldern die noch stehenden Gebäude der Willingsmü­hle eingeäsche­rt. Damit war es mit dem Betrieb der Mühle zu Ende. Erst in den Jahren 1659/60 baute der Zimmermann Martin Schwefel die Mühle wieder auf. Seine Witwe heiratete im Jahr 1664 mit Thomas Obermüller einen österreich­ischen Glaubensfl­üchtling. In dieser Zeit kamen aus dem „Ländle ob der Enns“in Oberösterr­eich sehr viele Menschen, die dort wegen ihres evangelisc­hen Glaubens vertrieben worden waren. Ihre Zuflucht fanden sie in den Gebieten der Grafschaft Oettingen und Ansbach, wo sie kriegszers­törte Höfe aufbauten und ihren evangelisc­hen Glauben leben konnten.

In der Zeit von Thomas Obermüller wechselte die Bezeichnun­g des Anwesens zu „Wolfsmühle“. Zu der Mühle gehörte immer auch eine Landwirtsc­haft. Im Jahr 1845 bewirtscha­ftete der Wolfsmülle­r Joh. Leonhard Meier 47 Tagwerk Felder und gehörte damit zu den größeren Bauern in der Gemeinde. Seine Mühle umfasste damals zwei Getreidema­hlgänge, einen Gerbgang, eine Öl- und eine Hirsemühle. Noch heute findet sich auf der Empore der unteren Kirche St. Moritz in Wechingen ein kunstvoll gestaltete­s Täfelchen von Joh. Leonhard Meier, das dessen Sitzplatz in der Kirche markierte. Das Schild aus dem Jahr 1856 ziert ein Mühlrad und nennt Meier als „Müllermeis­ter, Vereinsvor­steher“und „Besitzer auf der Wolfsmühle“.

Im Jahr 1973 wurde der Mahlbetrie­b auf der Wolfsmühle nach dem Tod des damaligen Mühlenbesi­tzers Georg Bogendörfe­r eingestell­t und nur noch die Landwirtsc­haft im Vollerwerb weiter betrieben, bevor in den 1990er-Jahren auch diese beendet wurde. Im Jahr 1995 schließIm lich wurde eine Turbine zur Stromgewin­nung installier­t. Zwischenze­itlich stand das Wohngebäud­e der Wolfsmühle leer. Es wurde um 2006 abgebroche­n. Heute werden Stallung und Scheune als Reitstall genutzt.

Anders dagegen die letzte Mühle an der Rohrach, die Pfladermüh­le bei Wechingen. Dort befindet sich ein Milchviehb­etrieb, jedoch betreibt der 77 Jahre alte Müller Walter Schröppel noch heute im alten Gebäude eine Getreidemü­hle wie seine Vorgänger. Bis vor einigen Jahren war er mit seinem Traktor und Anhänger in den Nachbardör­fern unterwegs und bot sein Mehl zum Verkauf an. Heute beliefert er die immer kleiner werdende Zahl an Kunden meist mit dem Auto.

Im Mittelalte­r gehörte die Pfladermüh­le zum Kloster Heidenheim am Hahnenkamm. Bei der ersten schriftlic­hen Erwähnung wird sie noch als „Beytmül“bezeichnet. Später wechseln die Namen „Beutmühle“und „Innere Mühle“ab, bevor um das Jahr 1700 der Name Pfladermüh­le aufkommt und sich durchsetzt.

Im Gegensatz zur Wolfsmühle gehörte die Pfladermüh­le zur Oberen Pfarrei St. Veit in Wechingen. In Wechingen gab es nicht nur zwei Kirchen, sondern auch bis zum Jahr 1810 auch zwei evangelisc­he Pfarrer. Die Mühlbesitz­er gehörten zu den reicheren Leuten im Dorf und hatten natürlich ein entspreche­ndes Selbstbewu­sstsein. So kam es im 18. Jahrhunder­t immer wieder zu Differenze­n zwischen dem Pfarrer und dem Müller. Letzterer war der Überzeugun­g, dass der Pfarrer bei der Beerdigung eines Kindes den Leichenzug auf der Mühle abzuholen hätte. Als Kompromiss traf man sich auf halber Strecke auf der Wörnitzbrü­cke.

Auch die Pfladermüh­le war im Dreißigjäh­rigen Krieg verlassen und erst 1658 wieder aufgebaut worden. Zahlreiche Besitzer hat auch diese Mühle gesehen. Neben vielen anderen Namen war von 1667 bis 1766 die Müllerfami­lie Grießmeier auf dem Anwesen. Sehr dramatisch war der Brand der Scheune auf der Pfladermüh­le am 16. Januar 1968. Die Wörnitz führte damals Hochwasser und so war der Brandort von einem einzigen See umschlosse­n. Zusätzlich waren Wege und Straßen noch vereist.

Auch die Feuerwehre­n aus den Nachbarort­en waren im Einsatz und der benachbart­e Wolfsmülle­r zeigte den von Osten anrückende­n Feuerwehrl­euten einen etwas höher gelegenen und damit befahrbare­n Feldweg an der Rohrach, auf dem sich die Feuerwehrm­änner dem Brandort nähern und mit den Löscharbei­ten beginnen konnten.

 ?? Foto: Gerhard Beck ?? Die Mündung der Rohrach in die Wörnitz an der oberen Kirche in Wechingen im Jahr 1957 mit Blick zur Pfladermüh­le.
Foto: Gerhard Beck Die Mündung der Rohrach in die Wörnitz an der oberen Kirche in Wechingen im Jahr 1957 mit Blick zur Pfladermüh­le.
 ?? Foto: Gerhard Beck ?? Das Namensschi­ld für den Sitzplatz des Wolfsmülle­rs Joh. Leonhard Meier von 1856 in der Kirche St. Moritz in Wechingen.
Foto: Gerhard Beck Das Namensschi­ld für den Sitzplatz des Wolfsmülle­rs Joh. Leonhard Meier von 1856 in der Kirche St. Moritz in Wechingen.
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Foto: Hager

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