Drogen Omi lässt es krachen
Die famose Diana Körner als „Paulette“in einer turbulenten Komödie im Nördlinger Klösterle
Nördlingen Mit einer turbulenten Komödie startete das Kulturprogramm der Stadt Nördlingen in die neue Theatersaison. In „Paulette – Oma zieht durch“begeisterte neben einem erfrischend aufspielenden Ensemble vor allem die aus zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen bekannte Diana Körner in der Hauptrolle die rund 300 Besucher im Klösterle.
In dem im Kern sozialkritischen Stück hat es Titelheldin Paulette alles andere als leicht. Sie lebt in einer heruntergekommenen Behausung in den problematischen Banlieues von Paris zwischen Asozialen, Straßengangs und Kleinkriminellen. Um mit ihrer Mini-Rente über die Runden zu kommen, muss sie sich sogar um die Inhalte einer Mülltonne streiten. Ihre Armut hat die resolute Paulette verbittert, zur Rassistin gemacht: „Negern“und „Schlitzaugen“ mischt sie Schaben ins Essen, den eigenen Enkel Leo (Sandrino Herrklotsch) – sein Vater ist dunkelhäutig – nennt sie einen „Bananenfresser“und sogar ihren dunkelhäutigen Beichtvater Baptiste (Hans-Jürgen Helsing) respektiert sie nur bedingt: „Sie hätten es verdient, ein Weißer zu sein.“
Halt geben ihr lediglich ihre schrulligen Rommé-Freundinnen Renée und Lucienne. Doch als Paulette vom Gerichtsvollzieher gepfändet wird, flüchtet sie sich in eine kriminelle Karriere als Dealerin. Wider Erwarten laufen die dubiosen Geschäfte mehr als gut, der Drogenhandel floriert. Die „Drogen-Omi“, so ihr Szenename, lässt es krachen, kann sich nun Vieles leisten, gewinnt an Selbstbewusstsein und kann Familie, Freunden und Kirche unter die Arme greifen. Doch als die alte Dame sogar eine Patisserie eröffnet, in der sie Haschgebäck vertickt, droht ihr Doppelleben aufzufliegen. Zudem häufen sich die Konflikte: Tochter Agnès bricht mit Paulette und auch mit Dealer Vito (Johannes Pfeifer) und dessen russischem Drogenboss gibt es mächtig Ärger.
Basierend auf dem erfolgreichen französischen Kinofilm „Paulette“(2013) von Jèrome Enrico hat die a.gon Theater GmbH aus München die Komödie von Anna Bechstein nach einem Regiekonzept von Thomas Donndorf für die Theaterbühne in Szene gesetzt. Dabei steht der komödiantische Grundcharakter des Stücks in diametralem Gegensatz zu den thematisierten sozialkritischen Problemen wie Altersarmut und Rassismus. Dennoch gelingt der temporeichen Inszenierung mit zahlreichen und raschen Szenenwechseln der Spagat: Trotz witzigspritziger Dialoge, humoristischen Elementen und Farbtupfern wie Gospel-Einlage („Oh Happy Day“) und Luftgitarren-Solo schwingen im Hintergrund stets Ernsthaftigkeit und Problemorientierung mit. Allerdings wirken einige Stellen, etwa eine spektakuläre Lebensrettung oder eine dramatische Befreiungsaktion, dann doch etwas überdreht.
Wie schon in früheren Aufführungen in Nördlingen wartet die a.gon-Truppe auch in „Paulette“mit einem erstklassigen Ensemble auf. Allen voran die wunderbare Diana Körner, die wie auch ihre Bühnen-Partnerinnen Anna Stegmann und Renate Koehler, eine authentisch wirkende Wandlung von der verbitterten und zynischen Rentnerin zur lebenslustigen alten Dame vollzieht. Fast alle Darsteller verkörpern mehrere Rollen, was der Komödie zusätzlichen Schwung verleiht: ein ungelenker verliebter Hagestolz (Lutz Bembenneck), ein lässiger Straßenmusiker (Michael Stark), ein zugedröhntes HippieGirl (Sorina Kiefer) oder ein cooler Checker mit Szene-Sprech (Konstantin Gerlach) sorgen für so manchen Lacher.
Abgerundet wird die gelungene Inszenierung durch ein originell geschachteltes Bühnenbild (Claudia Weinhart), das rasche szenische Abfolgen ermöglicht, und stimmig auf die mitunter schnell wechselnden Rollen zugeschnittene Kostüme (Sybille Gänßlein-Zeit). Das Publikum zeigte sich sehr angetan von Stück und Darstellern und spendete Minuten langen Schlussapplaus.