International und ökumenisch vereint
Frère Alois Löser, Prior der Communauté de Taizé, wurde im Ries geboren. Wir haben mit ihm gesprochen
Frère Alois, Sie sind Prior der Communauté de Taizé, einer internationalen ökumenischen Gemeinschaft mit rund 100 Brüdern. Taizé liegt gut 100 Kilometer westlich von Genf. Sie wurden in Nördlingen geboren, wuchsen in Stuttgart auf. Wie kam es dazu?
Meine Eltern waren Heimatvertriebene aus der Tschechoslowakei. Bis zu ihrer Heirat lebten meine Mutter in Utzwingen und mein Vater in Ehingen am Ries. Ich habe einmal Nördlingen als Geburtsort genannt, weil mehr Menschen das kennen – seitdem hält sich das. Aber ich bin in Ehingen geboren. Als ich sechs Monate alt war, hat mein Vater bei der Straßenbahn in Stuttgart Arbeit gefunden, deshalb sind wir dorthin gezogen.
Mit 16 Jahren besuchten Sie das erste Mal Taizé. Hatte der vom Krieg geprägte Lebensweg Ihrer Eltern mit Ihrer Begeisterung für die internationale Gemeinschaft in Taizé zu tun?
Ja, das kann man durchaus so sagen. Als ich 1973 nach dem Abitur als Freiwilliger in Taizé war, schickten mich die Brüder für drei Wochen nach Prag. Das Engagement der bedrängten Christen und die Verbindungen über Ländergrenzen hinweg haben mich sehr beeindruckt und fasziniert.
Manche Entwicklungen der vergangenen Jahre deuten auf ein Auseinanderdriften Europas hin. Bereitet Ihnen das Sorge?
Ich beobachte zwei entgegengesetzte Entwicklungen: Auf der politischen Ebene macht man sich Sorgen, dass Europa auseinanderbricht. Doch die jungen Menschen wollen Europa. Sie möchten ungehindert reisen können, in einem anderen Land studieren oder arbeiten. Europa ist zusammengewachsen und dieser Prozess lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Umso wichtiger ist es, nationale und regionale Eigenheiten nicht einfach wegzuwischen. Am Ende des vergangenen Jahres fand unser Europäisches Jugendtreffen in Lettland statt, einem sehr kleinen Land am Rand Europas. Dort haben wir erlebt, dass sich dieses Land vom Rest Europas oft nicht genügend verstanden fühlt. Dieses Verständnis füreinander muss größer werden. Sie waren erst sechs Monate alt, als Sie das Ries verließen. Hatten Sie eine Verbindung zu dieser Gegend?
Auf jeden Fall. In den Ferien haben wir auch später noch häufig meine Tante in Ehingen besucht. Mein Onkel war Elektriker, er war häufig unterwegs und nahm mich auf Montage mit. Ich genoss die Zeit auf dem Land. Mein Onkel war evangelisch und meine Tante katholisch. Das war damals noch selten. Diese Verbindung hat mich sehr beeindruckt.
Schon damals spielte die Ökumene also eine gewisse Rolle für Sie, Frère Alois, richtig?
Ja, ich kann mich erinnern, dass ich vor meinem Eintritt in die Communauté noch einmal meine Taufkirche in Ehingen besucht habe. Sie war und ist, soweit ich weiß, bis heute ein „Simultaneum“, wird also als evangelische und als katholische Kirche genutzt.
Gibt man in der ökumenischen Communauté de Taizé seine eigene Konfession auf?
Ganz im Gegenteil. Wir treten nicht aus unseren Herkunftskirchen aus, sondern möchten vielmehr die jeweiligen Werte und Schätze mit den anderen teilen. Ich war über die Worte von Papst Franziskus sehr froh, der zu Beginn des Reformationsjahres in Schweden sagte: „Heiliger Geist, hilf uns, dass wir uns über die Gaben freuen, die die Reformation der Kirche gebracht hat.“Unsere große Hoffnung ist, dass wir der sichtbaren Einheit näher kommen.
Interview: Philipp Wehrmann