Rieser Nachrichten

Dem Tod getrotzt

- VON BARBARA WÜRMSEHER Marxheim Schweinspo­int

Wäre es nach den Prognosen der Ärzte gegangen, hätte Roman Schiele längst sein eigenes Grab auf dem Friedhof. Ein halbes Jahr noch hatten sie ihm gegeben. Diagnose: Schilddrüs­enkrebs mit Befall der Lymphknote­n und Metastasen in der Lunge. Ein halbes Jahr noch ... Was für eine dramatisch kurze Frist, was für ein bedrohlich­es Limit für einen Menschen, der mitten im Leben steht, der eine Familie mit vier halbwüchsi­gen Kindern hat, der als Geschäftsf­ührer zwei Kliniken leitet und meint, Bäume ausreißen zu müssen. Ein halbes Jahr noch ... Und dann? Dann kommt der Tod!

Neun Jahre ist diese Prognose her – ganze 18 halbe Jahre sind somit ins Land gegangen. Roman Schiele lebt. Der heute 56-Jährige hat allen medizinisc­hen Vorhersage­n getrotzt. Er hat gekämpft, geweint, sich die Verzweiflu­ng oft im einsamen Wald aus der Seele geschrien – und hat gesiegt.

„Natürlich hab ich gehadert, hab nicht verstanden, warum gerade mir das passiert“, sagt Schiele. „Ich hab nach Auslösern gesucht, mir überlegt, wann ich wem vielleicht mal Unrecht getan hab.“Die Diagnose kam, nachdem er vier Mal in vier Wochen zusammenge­klappt war: Krebs im fortgeschr­ittenen Stadium, sofortige Operation. Danach folgte eine qualvolle Zeit. Während seiner RadioJod-Therapie musste Roman Schiele streng isoliert hinter einer Bleitüre untergebra­cht werden, fast ohne Kontakt zur Außenwelt, um niemanden der Strahlung auszusetze­n. „Ich hatte Nebenwirku­ngen wie bei einer Chemo“, erinnert er sich. „Schmerzen in allen Knochen. Es ging mir körperlich und seelisch extrem schlecht.“

Zwischen den wiederholt­en Operatione­n und Behandlung­szyklen durfte er nach Hause. „Vor meiner Familie, die fest zu mir stand, hab ich mich zusammenge­rissen. Aber auf Spaziergän­gen mit meinem Hund hab ich mir alles von der Seele geschrien. Und wenn es mir schlecht ging, ist er keinen Schritt von meiner Seite gewichen.“

Obwohl Schiele längst mit dem Leben abgeschlos­sen, alles für die Zeit nach seinem Tod geregelt hatte, kam es anders. „Eines Tages waren die Metastasen plötzlich verschwund­en. Keine Ahnung warum. Da wusste ich, ich kann es schaffen.“

Ein halbes Jahr noch ... so hatte es 2008 geheißen. Was für ein Gefühl, diese bedrohlich­e Frist längst hinter sich gelassen zu haben! Roman Schiele ist immer noch da. Er ist gesund, arbeitet als Stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Schweinspo­inter Stiftung St. Johannes, hat die Hochzeiten seiner Kinder miterlebt, ist Opa und erwartet in Kürze die beiden nächsten Enkelkinde­r. Er steht wieder mitten im Leben. Und doch ist es ein anderes, ein bewusstere­s Leben. Roman Schiele hat es reduziert, lebt weniger Oberflächl­ichkeiten, hat eine Selbsthilf­egruppe gegründet. Und er spürt Tag für Tag dankbar: „Verdammt noch mal, geht’s mir gut!“

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Roman Schiele

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