Es werde Licht!
Von Heiligen bis hin zu Baselitz: Die Mayer’sche Hofkunstanstalt München hat seit 170 Jahren Kunden in aller Welt. Darunter den Dom in Augsburg und die U-Bahn New York
München Auf eine Schweizerin ist Verlass. Schon von weitem sind Sylvie Fleurys High-Heel-Ladies erkennbar, die wieder mal vor einem Straßenkreuzer umherstöckeln. So, als wollten sie dem Auto Paroli bieten – oder auch nur den nächsten Kavalier anpeilen. Genau weiß man nie, was die motoraffine ObjektSpezialistin im Sinn hat, doch das passt gut zu einem Material, das je nach Lichteinfall zu schimmern, schillern, spiegeln beginnt: Glas.
Fleury ist eine von 17 Künstlerinnen und Künstlern, die sich jetzt in der so genannten Mayer’schen Hofkunstanstalt von München entfalten durften. Die Manufaktur für Mosaik- und Glasmalerei gibt es seit 170 Jahren; sie liefert ihre begehrte und bedeutende Kunst, auch solche von Georg Baselitz, in alle Welt. Genau das ist den Inhabern eine besondere Edition wert. Michael und Petra Mayer, die das Unternehmen in fünfter Generation führen, ließen ihren Künstlern jede Freiheit, die Möglichkeiten der Werkstätten zu nutzen. Einzig das Format war auf 51 x 51 x 51 Zentimeter begrenzt.
Andernfalls wäre das Projekt schnell ausgeufert und mit einiger Wahrscheinlichkeit unbezahlbar geworden. Denn neben Fleury sind noch mehr renommierte Künstler beteiligt, darunter Vic Muniz, Eric Fischl, der drei Tänzer auf vier Lagen Echt-Antikglas schweben lässt, Ann Hamilton, Fotograf Peter Beard und die feinsinnige Kiki Smith, die ab Februar auch mit einer umfassenden Schau im Haus der Kunst gewürdigt wird.
Dass die Sache im Rahmen geblieben ist, hängt in erster Linie mit der engen Beziehung der Künstler zur Mayer’schen zusammen. „Das sind über Jahre gepflegte Freundschaften“, sagt Petra Mayer, „viele wohnen ja bei uns, wenn sie hier arbeiten“. Und das ist verlockend. Denn der in den 1920er Jahren nach Plänen von Theodor Fischer gebaute Firmensitz am Stiglmaierplatz liegt in Reichweite zum Münchner Hauptbahnhof und am Rande des Kunstareals. Sämtliche Entwürfe werden hier realisiert und einige Künstler greifen gleich selbst zum Pinsel wie etwa die pakistanische Senkrechtstarterin Shahzia Sikander und eben Kiki Smith, für die dann schon mal die Chefin als Modell herhält.
Glücklicherweise zeichnet Kiki ziemlich schnell, lässt Mayer durchblicken. Und die persönliche Zusammenarbeit gehört in der Hofkunstanstalt sowieso zum Alltag. So entsteht mit der Zeit ein tiefes Vertrauen. Anders ist es kaum zu erklären, dass ein Pedant wie Ellsworth Kelly bei der handwerklichen Umsetzung auf ständige Kontrolle verzichtete. In wenigen Monaten wird sein Opus magnum, eine Art Kapellenraum, in Austin Texas zu bewundern sein – zwei Jahre nach dem Tod des Meisters der farbintensiven geometrischen Flächen.
Und da wir schon beim Sakralen sind: Die Mayer’schen Glasfenster waren gerade im späten 19. Jahrhundert international begehrt, 80 Prozent gingen ins Ausland und hier vor allem in die USA. Bis zu 500 Mitarbeiter haben zeitweise die Bestellungen aus dem „Bibelgürtel“quer durch die Südstaaten betreut. Und noch heute sind die evangelikalen Protestanten hingerissen vom „Munich Style“, also dem von der Hofkunstanstalt geprägten Münchner Stil mit seinen zarten Madonnen und beseelten Heiligen.
Solche Aufträge werden mit der gleichen Akribie und Hingabe ausgeführt wie die Wandmosaike entlang der erst kürzlich eröffneten New Yorker U-Bahn-Linie Second Avenue. Und die Glasfassade der Münchner Herz-Jesu-Kirche, bei deren Fertigstellung sich die Architekturkritiker im Jahr 2000 fast überschlugen.
Glas und Licht bilden einfach eine magische Verbindung. Der neuplatonische Gedanke vom Licht, das die Transzendenz aufscheinen lässt, wird hier sinnlich erfahrbar. Die Augsburger Kirchenbaumeister wussten früh um diese Qualität: Die um 1100 entstandenen Dom-Glasfenster mit den alttestamentarischen Gestalten Jona, Daniel, Hosea, David und Mose zählen zu den ältesten und bedeutendsten in Europa. Und als es hier nach dem Zweiten Weltkrieg „Gläsernes“zu restaurieren gab, dann war auch hier die Mayer’sche gefragt. Genauso sind die
Der tiefgläubige Gründer kam aus dem Allgäu
neuen Fensterentwürfe von Josef Oberberger in der Münchner Hofkunstanstalt umgesetzt worden.
Deren Verbindung zu beiden Konfessionen geht übrigens auf die Anfänge zurück. Joseph Gabriel Mayer, der 1808 in Gebrazhofen bei Leutkirch geboren wurde, war ein tief gläubiger, engagierter Mann, der sich nach einer Schreinerlehre in München zum Bildhauer und Maler fortgebildet hat. Als er 1844 in den Vorstand einer „Anstalt für krüppelhafte Knaben“berufen wurde, brachte er seinen Zöglingen das Formen von Skulpturen und ande- ren Objekten für die Kirchenausstattung bei. Die Buben sollten später ihr eigenes Geld verdienen können.
1847, nur drei Jahre später, gründete Mayer schließlich die „Anstalt für christliche Kunsterzeugnisse“- mit Erfolg. Bald schon beschäftigte der soziale Patriarch über 100 Mitarbeiter, für die er auch Krankenund Versorgungskassen einrichtete. Und weil nun größere Werkstätten her mussten, zog Mayer mit seiner jungen Firma an den Stiglmaierplatz.
Die Heiligen und die Madonnen sind immer noch sehr präsent. Allerdings eher in der Flachversion, denn seit den 1920er Jahren konzentriert man sich in der Hofkunstanstalt auf Glas- und Mosaikarbeiten. Auch das ist eine alte Kunst. Aber wie brandaktuell sie sein kann, zeigt die Jubiläums-Edition. OBesichtigung
der Edition bis 21. De zember jeweils donnerstags von 10 bis 16 Uhr, Anmeldung erbeten unter Tel. 089/54 59 62 0, www.mayersche hofkunstanstalt.de