Ihr Kinderlein kommet nach Augsburg
In zierlicher Handschrift schrieb der Priester Christoph von Schmid das weltbekannte Weihnachtslied. Jetzt zeigt die örtliche Staats- und Stadtbibliothek das älteste Autograf
Augsburg Seine Handschrift ist zierlich und gestochen scharf. „Ihr Kinderlein kommet“hat Christoph von Schmid mit der Feder gezirkelt, und es folgen acht Strophen des beliebten Weihnachtslieds. Das Autograf des geistlichen Dichters bewahrt die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg auf. In der Ausstellung „Gold und Bücher lieb ich sehr …“zeigt die seit 480 Jahren bestehende Bibliothek noch bis 15. Dezember dieses Blatt zusammen mit vielen anderen Schätzen der Sammlung.
Drei ganze Regale vom Boden bis zur Decke füllt in der Staats- und Stadtbibliothek der Bestand an Schriften Christoph von Schmids, dessen 250. Geburtstag im kommenden Jahr gefeiert wird. In Dinkelsbühl wurde er 1768 geboren, als Domkapitular starb er 1854 mit 86 Jahren in Augsburg. Die Fülle der Druckwerke beweist, wie beliebt seine Erzählungen und Gedichte im gesamten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren. Schmids Bücher wurden in 24 Sprachen übersetzt, sogar ins Japanische.
„Kinder bewahren ist ein Engelsgeschäft“, schrieb der passionierte Pädagoge Christoph von Schmid in seinem 80. Lebensjahr unter eine Lithografie von Maximilian Fröschle. Er selbst hatte eine glückliche Jugend im Kreis von acht Geschwistern in Dinkelsbühl erlebt, ehe er in Dillingen das Gymnasium besuchte und Johann Michael Sailer traf. Der geistreiche Theologieprofessor und spätere Bischof von Regensburg sollte ihn als Vorbild, Seelsorger, Lehrer und Erzieher formen. Sailer vermittelte Schmid nach der Priesterweihe 1791 auch die erste Kaplanstelle in Nassenbeuren bei Mindelheim. Weitere Stationen waren Seeg im Allgäu und das mittelschwäbische Thannhausen.
Das Lied „Ihr Kinderlein kommet“dichtete Schmid schon in Nas- senbeuren. Die dortige Wallfahrtskapelle Maria Schnee soll in ihm Erinnerungen aus früher Kindheit geweckt haben, vor allem an die sich ständig verändernde Darstellungen in der Weihnachtskrippe. „Wahrscheinlich dachte er auch an Santa Maria Maggiore in Rom, die Urkirche des Schneewunders, wo man die Krippe Jesu verehrt“, meint Bibliotheksdirektor Karl-Georg Pfändtner. Sicher wurde das Lied auf mehrere Melodien gesungen. Bis heute erklingt es in der Melodie des dänischen Hofkapellmeisters Johann Peter Schulz (1747–1800), die er 1794 für ein Frühlingslied komponiert hatte. Der evangelische Volksschul- lehrer Friedrich Heinrich Eickhoff aus Gütersloh hat es dann um 1832 den Liedstrophen Christoph von Schmids unterlegt und in seine Sammlung „Sechzig deutsche Lieder für dreißig Pfennig“aufgenommen, die sein Schwiegervater Carl Bertelsmann verlegte. Dieses Liederbuch wurde zum Bestseller.
Das handschriftliche Blatt aus der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek war für die Drucklegung im Band „Blüthen, dem blühenden Alter gewidmet“im Jahr 1818 geschrieben. Es gehört zu einem Stapel von fünfzig Blättern und ist darin Blatt Nr. 19. Zum ersten Mal war „Ihr Kinderlein kommet“mit allen acht Strophen schon in der zweiten Auflage der „Christlichen Gesänge zur öffentlichen Gottesverehrung“1811 erschienen. Im Augsburger Dom erinnert seit diesem Jahr eine neue Gedenktafel bei der gotischen Weihnachtskrippe an den Verfasser des weltbekannten Weihnachtslieds.
In der Ausstellung der Staats- und Stadtbibliothek wird zum Endspurt auch eine detailreiche Weihnachtsvignette des Augsburger Meisters Georg Beck in einem Prachtpsalter von 1495 aufgeschlagen. Führungen finden mittwochs (11 Uhr), donnerstags (12 Uhr), freitags (15 Uhr) statt. Der Katalog (240 S., 26 Euro) erschien im Quaternio Verlag.