Gebot der Barmherzigkeit
Zum Bericht „Missbrauchsfall: So reagiert die Kirche“in den Rieser Nachrichten am 21. November: Wäre mit dem Amt des Bischofs die Gabe des Heiligen Geistes verbunden, hätte Bischof Zdarsa im Missbrauchsfall des Herrn Erber vermutlich anders gehandelt. Doch mit dem Eintreffen des Briefes aus Amerika zog der Bischof alle Register der Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch, ohne differenzierende Würdigung des Falles: Umgehend wurde der Pressedienst des Ordinariats eingeschaltet, der Generalvikar beeilte sich im Fernsehen, seine Scham zu bekennen. Die Rieser Nachrichten betrieben einen Informationsaufwand, der an die Berichterstattung über den Fall des Linus Förster erinnert. Dies alles wegen eines Missbrauchsfalles, der dreißig Jahre zurückliegt und bei dem offensichtlich Gewalt nicht im Spiel war.
Ginge es um die Aufarbeitung und Bewältigung des vor dreißig Jahren Geschehenen, wäre ein persönliches Gespräch zwischen Opfer und Täter hilfreicher als die Veröffentlichung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dadurch würde der Fall keineswegs bagatellisiert sondern menschlich, das heißt christlich, behandelt. Doch nun sind die Pharisäer am Werk. Barmherzigkeit, das Markenzeichen der Christen, ist ihre Sache nicht; sie schaffen Gerechtigkeit durch Strafe durch, wie der Leserbriefschreiber vom 21. November fordert, konsequentes Ahnden, „der Glaubwürdigkeit der Botschaft zuliebe“.
Welche Botschaft der Schreiber meint, ist mir unklar. Die Botschaft Jesu jedenfalls heißt Liebe – Barmherzigkeit – Verzeihen. Dadurch soll die Welt gut werden. Doch davon ist in dem Vorgehen des Bischofs nichts zu erkennen. Die Herren vom Ordinariat ziehen es vor, ihre Hände in Unschuld zu waschen. Vielleicht, wenn der Herr Generalvikar wieder einmal ein Schamgefühl mitteilen will, wird er sich dafür schämen, dass er und der Herr Bischof die öffentliche Meinung in oben genannten Fall wichtiger genommen haben, als das Gebot der Barmherzigkeit. Erhard Gartenschläger, Oettingen