Die Flüchtlingspolitik braucht Herz und Verstand
Damit der Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht verloren geht. Die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung ist die dringlichste politische Aufgabe
Kein anderes Thema bewegt die Deutschen seit zwei Jahren so sehr wie die Flüchtlingskrise. Die Masseneinwanderung von Menschen aus der muslimischen und afrikanischen Welt hat das politische Klima verändert, eine rechtsnationale Partei in den Bundestag gespült und die Gesellschaft in beispielloser Weise polarisiert und gespalten. Anhänger und Gegner der „Willkommenskultur“bilden zwei um die Meinungsführerschaft ringende Lager. Der Streit um die großherzige, im europäischen Alleingang vollzogene Einwanderungspolitik Merkels und ihrer Koalition gefährdet längst jenen Zusammenhalt, auf den jede Gesellschaft angewiesen ist. Die rasante, ohne hinreichende demokratische Rückversicherung herbeigeführte Veränderung der Bevölkerungsstrukturen greift eben zu tief, als dass sie sich auf Dauer gegen den Willen eines beträchtlichen Teils der Alteingesessenen erzwingen ließe. Also bedarf es endlich eines Konzepts, das die Zukunft des Einwanderungslandes Deutschland skizziert, der Furcht Einheimischer vor dem Verlust kultureller Identität und wachsender Unsicherheit Rechnung trägt und ein Mindestmaß an gesellschaftlichem Konsens ermöglicht.
Die Menschen wollen wissen, wohin die Reise gehen soll und wie der Staat den inneren Frieden bewahren, die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten und „französische Verhältnisse“(islamische Parallelgesellschaften) verhindern will. Sie brauchen die Gewissheit, dass die Politik die Kontrolle über die Zuwanderung zurückgewinnt und die Neuankömmlinge auf die hier geltenden Regeln verpflichtet. Die Regierenden tun so, als ob man aus dem Gröbsten raus sei und die Dinge nun im Griff habe. Die Realität sieht anders aus. Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt geht nur schleppend voran. Aus der „nationalen Kraftanstrengung“ (Merkel), abgelehnte Asylbewerber verstärkt abzuschieben, ist nichts geworden. Die Kosten für den Unterhalt der Zuwanderer, die überwiegend im Sozialsystem landen, explodieren. Die Berichte über gewalttätige junge Männer und Alarm schlagende Kommunen häufen sich. Und der Zustrom hält ja an. Weit über 200 000 Menschen werden heuer hier eintreffen. Das ist viel weniger als 2015. Aber doch eine Größenordnung, die – ginge es so weiter – Aufnahmekapazität und Integrationskraft des Landes überfordert. Vorrangige Aufgabe der neuen Regierung wird es sein, den Prozess der Zuwanderung zu steuern und die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft auf ein verkraftbareres Maß zu begrenzen. Geschieht dies nicht, wird die Gesellschaft weiter auseinanderdriften und an innerem Kitt einbüßen – zugunsten jener radikalen Kräfte, die Abschottung predigen. Und wie sonst will die Politik das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen, die nicht ausländerfeindlich sind, deren Glaube an Recht und Ordnung aber nachhaltig erschüttert wurde?
Kein Land Europas ist so hilfsbereit wie Deutschland, das niemanden, der „Asyl“begehrt, abweist und jeden ordentlich versorgt. Das Recht auf Asyl ist unantastbar und bliebe auch bei einer – großzügig bemessenen – „Obergrenze“von 200 000 jährlich gesichert. Es geht um die rechte Balance zwischen der Pflicht zu humanitärer Hilfe und dem, was das Land ohne innere Verwerfungen leisten kann. Es geht darum, die Chancen der Migration zu nutzen und zugleich den Blick für die Risiken zu schärfen. Vonnöten ist ein Gesetz, das Verfolgten und – vorübergehend – Kriegsflüchtlingen Schutz bietet, den Zuzug von Arbeitsmigranten jedoch an den Interessen des Landes ausrichtet. Für eine solch realistische, mit Herz und Verstand gemachte Politik wäre die Zustimmung einer großen Mehrheit der Wähler gewiss.
Kein anderes Land in Europa ist so hilfsbereit