Rieser Nachrichten

Ritualbad unter der Erde

Die in Hainsfarth gefundene Mikwe ist nach Diskussion­en nun wieder zugeschütt­et worden. Was bleibt, sind Pflasterst­eine. Der Freundeskr­eis der Synagoge fühlt sich übergangen

- VON VERENA MÖRZL

Hainsfarth Die Mikwe hat im jüdischen Glauben einen enormen Stellenwer­t. In diesem Ritualbad reinigen sich vor allem Frauen. Diese Praxis wird von jüdischen Gemeinden noch heute vollzogen. In Hainsfarth wurde 2015 genau eine solche Mikwe bei Baggerarbe­iten gefunden, mit denen sich ein neues Kapitel für den Ort öffnete.

Der Vorplatz der Synagoge in Hainsfarth sollte umgestalte­t und optisch aufbereite­t werden. Ein Baggerfahr­er brach also eine Hütte ab und was da zum Vorschein kam, wird die Gemeinde noch die nächsten Jahre beschäftig­ten. Der Baggerfahr­er aber stoppte nicht sofort, sondern erst als ein Nachbar bemerkte, dass da etwas Besonderes im Boden zum Vorschein gekommen ist: die Mikwe.

Es lief auch weiterhin nicht glatt. Einige Steine wurden abtranspor­tiert. Der Freundeskr­eis der Synagoge zeigte sich damals schon entrüstet, weil mit dem jüdischen Relikt „unsensibel“umgegangen worden sei. Noch heute sind einige Stei- ne unauffindb­ar, einige hat man aber wieder zurückbrin­gen können.

Im Januar-Gemeindebo­ten von Hainsfarth kündigte Bürgermeis­ter Franz Bodenmülle­r nun an, dass die Sanierung der ehemals jüdischen Schule bald abgeschlos­sen sei. Deshalb gebe es Ende April einen Festakt mit einem Tag der offenen Tür. Dann werde das Gebäude der Gemeinde und den Vereinen als Bürgerhaus übergeben. Weiter schreibt Bodenmülle­r, dass auch der Vorplatz der Mikwe bald fertig sein wird. Mit dem Landesamt für Denkmalpfl­ege sei eine „Rekonstruk­tion der Quaderstei­ne und deren Dokumentat­ion vorgenomme­n“. Auf Anraten der Fachbehörd­e sei das Ritualbad „verhüllt und für die Nachwelt gesichert worden“. Die Bodenfunde und deren Dokumentat­ion sollen künftig mittels Infotafeln den Besuchern erklärt werden.

Auf dem Platz vor der restaurier­ten Synagoge sieht man inzwischen die Ergebnisse: Pflasterst­eine deuten den Fundort der Mikwe an, eine Bodenplatt­e symbolisie­rt den Einstieg über Treppen in das Bad. Für den Freundeskr­eis der Synagoge ist diese Lösung ein Schlag ins Gesicht, weswegen sich Vertreter jetzt in einem offenen Brief an Bürgermeis­ter Bodenmülle­r und die Gemeinderä­te gewandt haben. „Wir waren entsetzt und zutiefst verärgert über das, was wir dort gesehen haben“, heißt es in dem Schreiben, das stellvertr­etend von Vorsitzend­er Sigrid Atzmon und Schriftfüh­rer Hermann Waltz unterzeich­net wurde. Denn dass die Mikwe wieder zugeschütt­et werden sollte, darüber wurde der Freundeskr­eis nicht informiert.

Theoretisc­h muss das die Gemeinde auch nicht. Doch der Verein, der einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der jüdischen Geschichte in Hainsfarth leistet, fühlt sich schlecht eingebunde­n und übergangen. Er wirft der Gemeinde auch mangelnde Transparen­z vor. Die Vertreter des Freundeskr­eises haben von der zugeschütt­eten Mikwe erst erfahren, als sie sich vor Ort ein Bild der Lage gemacht haben.

In der Gemeindera­tssitzung, wohl im Jahr 2016, in der Sigi Atzmon zuletzt die Anliegen des Freundeskr­eises vorgetrage­n hat, habe sie erklärt, wie „schmerzhaf­t für sie“allein schon das teilweise Aufschütte­n der Mikwe wäre. Aber als äußerstes Zugeständn­is wäre diese Lösung in Frage gekommen. Im offenen Brief wird darauf hingewiese­n, dass eine „Nutzung ohne Würdigung der besonderen Geschichte dieses Platzes“die Opfer nochmals verletze. Der Freundeskr­eis sieht beispielsw­eise Vereinsfes­te auf dem Vorplatz der Synagoge als dem Zweck nicht angemessen. Der Verein hätte eine „erlebbare Mikwe“bevorzugt. Jetzt hoffen die Vertreter, dass sich zumindest ein Nutzungsko­nzept mit der Gemeinde vereinbare­n lässt, das mit dem Respekt vor jüdischer Geschichte konform geht.

Bürgermeis­ter Franz Bodenmülle­r räumt im Gespräch mit den Rieser Nachrichte­n ein, dass er Fehler begangen habe und den Freundeskr­eis hätte mehr beteiligen müssen. Das Thema Mikwe sei im Gemeindera­t mehrmals heftig diskutiert worden. Der Beschluss, das Ritualbad zuzuschütt­en, sei im frühen Winter gefallen und für Hainsfarth die praktikabe­lste Variante.

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Fotos (3): Herbert Dettweiler Nach den Baggerarbe­iten sind einige Steine abtranspor­tiert worden. Nicht alle davon kamen wieder zurück auf den Vorplatz.
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Als der Vorplatz der Synagoge neu gestaltet werden sollte und eine Hütte abgerissen wurde, ist ein jüdisches Tauchbad zutage gekommen, eine sogenannte Mikwe.
 ??  ?? Ein wichtiges Merkmal einer Mikwe ist, dass sie mit „lebendigem Wasser“gespeist wird. Auch im Bild ist Wasser in der freigelegt­en Vertiefung zu sehen.
Ein wichtiges Merkmal einer Mikwe ist, dass sie mit „lebendigem Wasser“gespeist wird. Auch im Bild ist Wasser in der freigelegt­en Vertiefung zu sehen.
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Foto: Mörzl

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