Plädoyer für die Wildnis
Wo Deutschland noch ungezähmt ist
Schon die ersten Aufnahmen zeigen die Fülle der Naturschönheiten, die Deutschland zu bieten hat. „Mein wildes Deutschland“heißt der grandiose Bildband, in dem der Fotograf Norbert Rosig sich für „werdende Wildnis“einsetzt.
Nach der Wende war er in Biotopen, Nationalparks und Biosphärenreservaten unterwegs, hat die alten Buchenwälder fotografiert und die Basteifelsen in der Sächsischen Schweiz, war im Moor und am Meer und hat Bilder von Moosen und Flechten ebenso gemacht wie von Orchideen und blühenden Bäumen. Dass der heutige Mensch die Wildnis braucht ist sein Credo, das Eintreten für ihren Erhalt wurde zu seiner Leidenschaft.
Ihren Anfang nahm sie 1990, als er mit einem alten VW-Campingbus auf die Halbinsel Fischland-DarßZingst fuhr, um die Natur Ostdeutschlands zu fotografieren. „Nördlich von Berlin fuhren wir über malerische Alleen, die von Kastanien, Eichen und Linden gesäumt waren,“erinnert er sich. Und heute? „Sind die Alleen zum großen Teil breiten Straßen zum Opfer ge- fallen.“Höchste Zeit also für eine Rettungsaktion in Sachen Wildnis, wie sie von Michael Succow und seiner Stiftung gefordert wird. „Durch das ‚Schicksal’ der sich selbst überlassenen Natur“, schreibt er im Vorwort, „erleben wir Werden, Vergehen und Wiederneuerstehen. In diesen Räumen verzichten wir auf unsere Dominanz und spüren, wie sie sich verzaubern“.
Diese Verzauberung spüren auch die Betrachter, denn von Seite zu Seite öffnet sich ihnen eine wahre Wunderwelt der Natur. Doch ihre Ungezähmtheit ist bedroht, Rosig warnt: „Wir erweitern massiv die Infrastruktur für immer neue Gewerbegebiete auf der einst tatsächlich grünen Wiese, bauen immer neue Straßen, zerstückeln Naturlandschaften.“Rosigs Wildnis-Aufnahmen könnten ein Weckruf sein gegen die Zersiedelung unserer letzten Naturlandschaften. Lilo Solcher
» Norbert Rosing: Mein wildes Deutschland – Naturparadiese zwi schen Meeresstrand und Alpenland neu entdeckt. National Geographic, 288 Seiten, 50 Euro