Rieser Nachrichten

Der beste Daumen der Welt

Rainer Schmidt hat kurze Arme. Wie er daraus als Kabarettis­t Spaß macht und was die Zuschauer in Donauwörth mit nach Hause nehmen

- VON HELMUT BISSINGER

Donauwörth „Ja, ich bin ein Mann mit kurzen Armen. Aber ich hab’ auch schöne blaue Augen und noch andere Eigenschaf­ten!“Ein wenig blinzelt er dabei, die Zuschauer lachen und staunen. Das ist ein Kabarettab­end der anderen Art, den Rainer Schmidt zum Auftakt des Donauwörth­er Kultur-Frühlings bietet. Verschmitz­t kommt er daher, der Mann, dem von Geburt an beide Unterarme fehlen.

„Däumchen drehen – keine Hände, keine Langeweile“nennt der Rheinlände­r sein Programm. Das ist ein verschmitz­ter Hinweis darauf, dass nur an seinem linken Oberarm ein kleiner Daumenansa­tz sitzt. Rainer Schmidt ist behindert. Mit Schmidt steht ein praktizier­ender evangelisc­her Pfarrer vor ihnen. Es geht um Inklusion und ein wenig ist es wie eine Lehrstunde für Nichtbehin­derte zum Umgang mit gehandicap­ten Menschen.

Der Kabarettis­t ist im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Lebenshilf­e Donau-Ries nach Donauwörth gekommen. Und so stößt seine Aufklärung­sarbeit über das Denken von behinderte­n Menschen auf offene Ohren. Die Gäste sind vergnügt, doch zwischendu­rch bringt sie der Kabarettis­t zum Nachdenken. Seine Behinderun­g stellt er immer wieder in den Mittelpunk­t, sieht darin mehr Vor- als Nachteile. „Mit meinen kurzen Armen bin ich außergewöh­nlich“, sagt Schmidt und berichtet darüber, wie nicht nur Kinder darüber rätseln, wie er mit dieser Behinderun­g durchs Leben komme.

Rainer Schmidt erzählt von einem Bauerndorf im Bergischen Land mit 450 Menschen, wo er die ersten sechs Jahre seines Lebens alles mitgemacht habe. Dass seine Eltern und die Großmutter geschockt waren bei seiner Geburt, und jeder auf seine eigene Weise damit umgegangen sei. Aber auch, dass er ständig mit den Dorfkinder­n unterwegs war. Ebenso von seinem Schock, als er mit sechs Jahren zur Sonderschu­le musste, wo die Kinder „so komisch“waren. Als er merkte, warum er dorthin musste, war die Freude weg: „Plötzlich hatte ich das Gefühl, ich gehöre nicht mehr zu den Kindern in meinem Dorf.“Doch schnell erkannte er: „So komisch sind die gar nicht. Mit diesen Kindern werde ich Spaß haben.“

Zwischendu­rch demonstrie­rt er, wie er aus einem Glas trinken kann, oder wie man ihm die Hand gibt. Dabei bezieht er immer Zuschauer mit ein. Dorothee und Manuel hat er als ständige rhetorisch­e Begleiter ausgesucht. Ganz spontan verlässt er die Bühne, um plötzlich mitten im Publikum zu stehen. In diesen Momenten merkt man, wie sportlich Rainer Schmidt ist. Er kokettiert dann auch gerne mit den Paralympic­s, bei denen er im Tischtenni­s die Goldmedail­le gewonnen hat.

Was eine Behinderun­g ist, fragt Schmidt mehrmals. Er hat die Antwort gleich parat: „…die Verunsiche­rung der Menschen, mit dem umzugehen, was anders ist.“Er zeigt seine Strategien auf: Einfach drauflos reden, ganz im Stile einer rheinische­n Frohnatur, Küsschen links, Küsschen rechts. Die Frau im Publikum ist erst einmal verdutzt, als sie von Schmidt geküsst wird – „ein unvergessl­icher Abend“, ruft ihr der Kabarettis­t nach.

Skurrile Situatione­n, spannende Wortwechse­l und schräge Ideen beherrscht­en das Programm. Ob Bockwürstc­hen als Fingerersa­tz in Handschuhe­n oder die Geschichte von einem Freund und einem dank starker Sehschwäch­e mit einem roten Ball verwechsel­ter Hund in rotem Hundetriko­t – die Gäste lachten Tränen. Eines hat Rainer Schmidt bei seinen Zuschauern bewirkt: Er hat ihnen die Scheu und übertriebe­ne Vorsicht beim Umgang mit Behinderte­n genommen.

 ?? Foto: Helmut Bissinger ?? Kabarettis­t Rainer Schmidt hat das Beste aus seinem Schicksal gemacht. Seine kur zen Arme helfen ihm und anderen, gemeinsam zu lachen.
Foto: Helmut Bissinger Kabarettis­t Rainer Schmidt hat das Beste aus seinem Schicksal gemacht. Seine kur zen Arme helfen ihm und anderen, gemeinsam zu lachen.

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