Der beste Daumen der Welt
Rainer Schmidt hat kurze Arme. Wie er daraus als Kabarettist Spaß macht und was die Zuschauer in Donauwörth mit nach Hause nehmen
Donauwörth „Ja, ich bin ein Mann mit kurzen Armen. Aber ich hab’ auch schöne blaue Augen und noch andere Eigenschaften!“Ein wenig blinzelt er dabei, die Zuschauer lachen und staunen. Das ist ein Kabarettabend der anderen Art, den Rainer Schmidt zum Auftakt des Donauwörther Kultur-Frühlings bietet. Verschmitzt kommt er daher, der Mann, dem von Geburt an beide Unterarme fehlen.
„Däumchen drehen – keine Hände, keine Langeweile“nennt der Rheinländer sein Programm. Das ist ein verschmitzter Hinweis darauf, dass nur an seinem linken Oberarm ein kleiner Daumenansatz sitzt. Rainer Schmidt ist behindert. Mit Schmidt steht ein praktizierender evangelischer Pfarrer vor ihnen. Es geht um Inklusion und ein wenig ist es wie eine Lehrstunde für Nichtbehinderte zum Umgang mit gehandicapten Menschen.
Der Kabarettist ist im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Lebenshilfe Donau-Ries nach Donauwörth gekommen. Und so stößt seine Aufklärungsarbeit über das Denken von behinderten Menschen auf offene Ohren. Die Gäste sind vergnügt, doch zwischendurch bringt sie der Kabarettist zum Nachdenken. Seine Behinderung stellt er immer wieder in den Mittelpunkt, sieht darin mehr Vor- als Nachteile. „Mit meinen kurzen Armen bin ich außergewöhnlich“, sagt Schmidt und berichtet darüber, wie nicht nur Kinder darüber rätseln, wie er mit dieser Behinderung durchs Leben komme.
Rainer Schmidt erzählt von einem Bauerndorf im Bergischen Land mit 450 Menschen, wo er die ersten sechs Jahre seines Lebens alles mitgemacht habe. Dass seine Eltern und die Großmutter geschockt waren bei seiner Geburt, und jeder auf seine eigene Weise damit umgegangen sei. Aber auch, dass er ständig mit den Dorfkindern unterwegs war. Ebenso von seinem Schock, als er mit sechs Jahren zur Sonderschule musste, wo die Kinder „so komisch“waren. Als er merkte, warum er dorthin musste, war die Freude weg: „Plötzlich hatte ich das Gefühl, ich gehöre nicht mehr zu den Kindern in meinem Dorf.“Doch schnell erkannte er: „So komisch sind die gar nicht. Mit diesen Kindern werde ich Spaß haben.“
Zwischendurch demonstriert er, wie er aus einem Glas trinken kann, oder wie man ihm die Hand gibt. Dabei bezieht er immer Zuschauer mit ein. Dorothee und Manuel hat er als ständige rhetorische Begleiter ausgesucht. Ganz spontan verlässt er die Bühne, um plötzlich mitten im Publikum zu stehen. In diesen Momenten merkt man, wie sportlich Rainer Schmidt ist. Er kokettiert dann auch gerne mit den Paralympics, bei denen er im Tischtennis die Goldmedaille gewonnen hat.
Was eine Behinderung ist, fragt Schmidt mehrmals. Er hat die Antwort gleich parat: „…die Verunsicherung der Menschen, mit dem umzugehen, was anders ist.“Er zeigt seine Strategien auf: Einfach drauflos reden, ganz im Stile einer rheinischen Frohnatur, Küsschen links, Küsschen rechts. Die Frau im Publikum ist erst einmal verdutzt, als sie von Schmidt geküsst wird – „ein unvergesslicher Abend“, ruft ihr der Kabarettist nach.
Skurrile Situationen, spannende Wortwechsel und schräge Ideen beherrschten das Programm. Ob Bockwürstchen als Fingerersatz in Handschuhen oder die Geschichte von einem Freund und einem dank starker Sehschwäche mit einem roten Ball verwechselter Hund in rotem Hundetrikot – die Gäste lachten Tränen. Eines hat Rainer Schmidt bei seinen Zuschauern bewirkt: Er hat ihnen die Scheu und übertriebene Vorsicht beim Umgang mit Behinderten genommen.