Über den Tellerrand hinaus
Der Bayerische Landes-Jugendposaunenchor spielt in der Nördlinger Sankt Georgskirche. Es ist eine Lehrstunde
Nördlingen Der Auftritt des Bayerischen Landes-Jugendposaunenchors war geradezu eine Lehrstunde für die Posaunenchöre der Region. Und so ist es wohl auch aufgefasst worden, denn die Nördlinger St. Georgskirche war bei dieser Veranstaltung extrem gut besucht. Tatsächlich boten die jungen Musiker, die aus ganz Bayern angereist waren, eine Demonstration zeitgemäßer Spielliteratur für Posaunenchöre, allerdings meist mit ziemlich hohem künstlerischem Anspruch, der bei manchem Mitglied eines landläufigen Posaunenchores ein erhebliches Staunen hervorgerufen haben dürfte.
Dem wurde der bayernweit vereinte Nachwuchs durch seine offenbar ausgezeichnete Ausbildung mehr als gerecht. Die Klangfülle und -qualität solcher Ensembles änderte sich in den letzten Jahrzehnten vor allem auch durch die größere Instrumentenvielfalt. Wer noch den Ursprung des Posaunenchorwesens mit ausschließlich Trompeten und Posaunen im Ohr hat, konnte diesen Wandel mit Euphonien, Tuben, Flügelhörnern und den verschiedenen Trompeten- und Posaunenstimmen erleben. Ja, sogar das Waldhorn darf inzwischen seinen vielfarbigen Klang beisteuern.
„Über den Tellerrand hinausschauen“gehört nach den Worten der Chorleiterin Kerstin Dikhoff zu einem der Grundprinzipien des Ensembles, dem offenbar Bob Sibich, der die Truppe bei einem dem Konzert vorausgegangenen Probenwochenende im JUFA-Gästehaus Nördlingen betreute, zusätzliche Impulse verliehen hat. Dies taten die jungen Leute am Ende diesem anerkannten Blasorchester- und Brass Band-Experten mit eigenem Beifall kund.
Nach der in den Posaunenchorkreisen bekannten „Intrada à 6“– weil sechsstimmig –, des Landesposaunenwarts Dieter Wendel, einem traditionell kirchlichen Einstieg, dirigierte Bob Sibich die „LibussaFanfare“, die zu Bedrich Smetanas Oper „Libussa“einleitet, über das Leben einer sagenumwobenen tschechischen Fürstin. Ganz das Gegenteil dieses hymnisch wirkenden Werkes bildete das getragene „O vos omnes“von Pablo Casals, der sich als häufiger Besucher des Klosters Montserrat bei Barcelona neben seiner weltberühmten Cellokarriere berufen sah, der katholischen Liturgie ein Werk zu widmen. Die St.Georgs-Kirche bildete nun die akustische Voraussetzung, um das im Markusdom zu Venedig erstmals erklungene 12-stimmige „Canzon Noni Toni á 12“in entsprechender Verteilung im Raum authentisch aufzuführen.
Einen musikhistorischen Gang durch die Jahrhunderte vollzog man dann in einer dreisätzigen Trilogie, dem Choralruf „Christ ist erstanden“in einem der Renaissancemusik nachempfundenen 1. Satz, dann in einer Art Hommage an Ennio Morricone, den Großmeister der Filmmusik, mit einer Darstellung der „Hoffnung“und einem die „Liebe“vermittelnden Duett der Ober- und Unterstimmen. Das Ganze bezeichnete Dieter Wedel „Glaube – Hoffnung – Liebe“, die Grundpfeiler der christlichen Kirche. Fehlte nur noch Johann Sebastian Bach, nicht original, sondern in seiner Wirkung für die Musik der neuen Zeit, aufgefächert in 20 Stimmen, aufgebaut auf dem Choral „Komm, süßer Tod!“.
Für die „Harmoniebedürftigen“unter den Zuhörern bot Kerstin Dikhoff nach diesem Klangexperiment des Knut Nystedt Chris Hazells „Hymn“mit der Andeutung des Händelschen „Halleluja, denn er regiert auf immer und ewig“an. Auf zwei aktuelle Themen bezogen sich die „Fanfare for Peace“eine Bitte nach Versöhnung israelischer und palästinensischer Jugendlicher, „wenn Brüder einträchtig nebeneinander wohnen“, und eine Reminiszenz an das vergangene Lutherjahr „Verleih uns Frieden gnädiglich!“, ihrer Zeit gemäß jeweils verarbeitet von Hassler, Bach, Prätorius, bis zur Romantik Felix Mendelssohns und des Zeitgenossen Matthias Nagel (*1958). Dazu auch „Ein feste Burg ist unser Gott“von Christian Sprenger. Verabschieden wollte sich das Orchester mit dem Blasorchesterstück „Where Eagles Soar“, einer Lobhymne auf den US-Staat Maine. Lang anhaltender Beifall ermunterte aber noch zu weiteren Zugaben.