Wie es Deutschland schaffen kann
Die neue Regierung steht im Wort, die Zuwanderung zu steuern. Aber hat sie auch den Willen und die Kraft dazu, die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen?
Die neue Regierung tritt mit dem Vorsatz an, das dringlichste Problem Deutschlands zügig anzupacken. CDU, CSU und SPD wollen „die Migrationsbewegungen im Blick auf die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft steuern und begrenzen“. Und um nur ja keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, hat die Kanzlerin Versäumnisse eingestanden. Zwar bestreitet Merkel bis heute, dass die mit einem kompletten staatlichen Kontrollverlust verbundene Politik der offenen Grenzen ein schwerer Fehler war und die unkontrollierte Masseneinwanderung immense Probleme bereitet. Aber sie räumt nun ein, dass ihre Flüchtlingspolitik „ein gewaltiger Katalysator für den Vertrauensverlust in die Politik und die Spaltung der Gesellschaft“war. Daraus folgt: Wenn die Volksparteien Vertrauen zurückgewinnen und die auf ihre Kosten aufgestiegene AfD eindämmen wollen, dann muss die Koalition jetzt „liefern“.
Die Aufgabe besteht darin, den Zustrom auf ein verträgliches, den Sozialstaat und das Volk nicht überforderndes Maß zu begrenzen und zugleich die Integration der Flüchtlinge voranzutreiben, die hier von Rechts wegen (und aus humanitären Gründen) bleiben dürfen, Jobs und eine neue Heimat finden wollen. „Fördern und fordern“muss die Parole sein – im Sinne einer realitätsnahen Politik, die bei aller Hilfsbereitschaft die Grenzen des Möglichen beachtet, importierte Sicherheitsprobleme wie die wachsende Kriminalität oder den Islamismus bekämpft und die geltenden Regeln durchsetzt. So, und nur so, ist dies alles zu schaffen – und dieses Land hat die Kraft dazu.
Die Frage ist nur, ob diese Koalition das schaffen kann und das Nötige tut, um die ungefähre, sehr großzügig bemessene „Obergrenze“einzuhalten. Der CSU-Vorsitzende Seehofer, das zeichnet sich bereits ab, wird als Innenminister bei der Umsetzung der Maßnahmen auf einigen Widerstand in CDU und SPD stoßen. Ob verstärkte Grenzkontrollen, konsequente Abschiebepraxis oder der Aufbau von Asylzentren, in denen zeitnah entschieden wird: Vieles dürfte, wenn überhaupt, nur schleppend in Gang kommen. Kommt es im Einzelfall zum Schwur, ist es nämlich in der SPD und in weiten Teilen der CDU mit dem Willen zur strikten, naturgemäß mit Härten verbundenen Begrenzung nicht so weit her.
Der alte, vom bayerischen Wahlkämpfer Seehofer wiederentfachte Glaubensstreit um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht, lenkt nur von den dringenden praktischen Aufgaben ab. Natürlich hat sich die Lage, gemessen an den Zuständen von 2015, entspannt. Im Griff ist sie noch lange nicht. Noch immer kommen jährlich rund 300000 Menschen nach Deutschland, wo die Hälfte aller in der EU registrierten Asylanträge gestellt wird. Noch immer erhält jeder Einlass, der „Asyl“begehrt – ob er verfolgt ist oder nur ein besseres Auskommen sucht. Noch immer können die meisten damit rechnen, mithilfe der Gerichte auf Dauer bleiben zu können. Und wie eigentlich will die Koalition die von Ex-Verfassungsgerichtschef Papier gerügte „Zweckentfremdung“des Asylrechts beenden und unterscheiden zwischen verfolgten Schutzbedürftigen und Menschen, die (wer will es ihnen verdenken?) dem Elend entfliehen wollen und keine legalen Zugangswege haben.
Über kurz oder lang und erst recht im Fall einer neuen Migrationswelle wird sich die Frage nach einer Änderung des Asylrechts stellen. Die meisten Staaten Europas gewähren Schutz nur nach Maßgabe der Gesetze; Deutschland garantiert ein subjektiv-rechtliches Verfahren mitsamt der Rechtsschutzgarantie. Das ist aller Ehren wert, wird aber eines Tages notgedrungen auf den Prüfstand kommen.
Seehofers Pläne stoßen bereits auf Widerstand