Wer soll diesen Mann ersetzen?
Angeblich sucht die Deutsche Bank einen Nachfolger für den Chef John Cryan. Doch ein Kandidat hat schon abgesagt. Ein Headhunter erklärt, warum sich große Unternehmen schwertun, Spitzenpersonal zu finden
Augsburg Der Job des DeutscheBank-Chefs John Cryan ist nicht leicht. Schon zum dritten Mal in Folge schrieb die Bank vergangenes Jahr Verluste. Der Aktienkurs ist abgerutscht. Schon länger stellen Investoren die Frage, ob der Brite der richtige Mann an der Spitze ist. Und auch wenn Aktionäre die Höhe seines Gehalts nach wie vor kritisieren, verdient Cryan im Vergleich zu Branchenkollegen – und vor allem zu seinen Vorgängern – mit 3,4 Millionen Euro relativ wenig.
Nun berichtet die britische Times, der Dax-Konzern suche nach einem Nachfolger für ihn. Im Gespräch war wohl der Europachef der Bank Goldman Sachs, Richard Gnodde. Doch der habe das Angebot abgelehnt. Die Deutsche Bank wollte sich dazu nicht äußern. Dabei scheint es verlockend zu sein, die größte deutsche Bank zu leiten. Warum also tut sich der Finanz-Riese schwer, einen Chef zu finden?
Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass große Unternehmen länger brauchen, um Spitzenposten zu besetzen, sagt Jörg Breiski. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der Personal- und Managementberatung Kienbaum in München. Auch dass ein Kandidat absage, sei üblich. „Ich glaube, die Öffentlichkeit findet das interessanter als der in Frage kommende Bewerberkreis“, sagt er.
Wenn es um die Besetzung einer hochrangigen Position geht, schlagen meist Personalberater – sogenannte Headhunter – geeignete Kandidaten vor. Die Firmen prüfen, ob ein Bewerber fachlich geeignet ist und ob er die richtigen Führungsqualitäten mitbringt. „Eine der ganz entscheidenden Fragen ist, ob ein Kandidat die strategische Ausrichtung eines Unternehmens erfolgreich über die Mitarbeiter realisieren kann und inwieweit er in einer bestehenden Kultur neue Impulse und Akzente setzen kann“, sagt Breiski. „Wer an der Spitze eines Unternehmens steht, spielt für den Erfolg, die zukünftige Ausrichtung und die Wettbewerbsfähigkeit eine enorm wichtige Rolle.“
Andersherum muss natürlich auch der potenzielle Chef mit der Stelle zufrieden sein. „Kandidaten werden auch stets bewerten, wie ihre Erfolgsaussichten in der neuen Aufgabe und dem Unternehmen sein werden.“Wenn bekannt ist, dass Vorgänger, die ähnlich kompetent waren, in der Position schon gescheitert sind, erschwert das folglich die Stellenbesetzung. Auch wenn Breiski nicht über die Deutsche Bank sprechen und keine Parallelen ziehen möchte, wird klar, warum die Personalsuche nicht leicht wird.
John Cryans Vertrag endet regulär 2020. Zuletzt hatte er angedeutet, weitermachen zu wollen. Seine Arbeit sei nicht immer einfach gewesen, sagte er auf der Bilanzpressekonferenz und fügte hinzu: „Ich fange an, meinen Job zu mögen.“
Die Beziehung zwischen Cryan und Aufsichtsratschef Paul Achleitner sei zerrüttet, schreibt die Times nun. Cryan wolle die Bank radikal umbauen, namentlich das Kapitalmarktgeschäft – einst Gewinnbringer der Bank und heute Sorgenkind. Darüber habe es einen heftigen Streit in der Führungsetage gegeben. Schon vergangenes Jahr waren Spannungen zwischen Cryan und Achleitner kolportiert worden. Damals ging es um den Umgang mit dem Großaktionär HNA aus China.
Außer Gnodde seien der Chef der italienischen Großbank Unicredit, Jean Pierre Mustier, und der Chef der britischen Großbank Standard Chartered, Bill Winters, als Nachfolger für Cryan erwogen worden, schreibt die Zeitung. Intern gelte der fürs Kapitalmarktgeschäft zuständige Co-Vizechef Marcus Schenck als starker Kandidat.
Cryan hatte Mitte 2015 das Ruder bei der Deutschen Bank übernommen. Er baut das von teuren Rechtsstreitigkeiten in Mitleidenschaft gezogene Institut seitdem um. Konzernchef Cryan weiß, wie schwierig die Lage ist: „Ich bin selbst einer dieser Kritiker und extrem ungeduldig“, sagte Cryan kürzlich. „Aber einen Öltanker zu wenden, benötigt eben seine Zeit.“