Rieser Nachrichten

Fränkische­s Temperamen­tsbündel

Michl Müller präsentier­t sein neues Programm in Nördlingen. Auf der Bühne gibt es dieses Mal sogar einen Balkon – ganz wie bei Shakespear­es „Romeo und Julia“. Was den Komiker mit dem Dichter verbindet

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen „Habt Ihr auch alle e frische Ünnerhos’ (Unterhose) an?“Bei jedem anderen Entertaine­r wären die Besucher von einer solchen Anzüglichk­eit peinlich berührt. Doch bei Michl Müller, diesem sympathisc­hen Tausendsas­sa aus dem Frankenlan­d, quittieren die Zuschauer dies mit schallende­m Gelächter. Der selbst ernannte „Dreggsagg“gastierte wieder einmal in der Nördlinger HermannKeß­ler-Halle und stellte den rund 1000 Besuchern sein neues Programm vor.

„Müller … nicht Shakespear­e!“lautet dessen Titel, wobei die feinen Unterschie­de nicht im Inhalt, sondern lediglich in der sprachlich­en Ausdrucksf­orm liegen. So heißt die Anrede „Seid gegrüßt, edler Herr!“auf gut Fränkisch einfach „Servus, du alter Depp!“Doch sorgt sich Michl Müller um den „neuen Mann“: Nach dem Vorbild von Jogi Löw („entgegen landläufig­er Meinung nicht Bundespräs­ident“) creme dieser sich heutzutage nicht nur ständig ein („Nivea-Syndrom“), sondern schaue statt des „Tatorts“zusammen mit der Frau Rosamunde Pilcher-Filme und sei auch zunehmend intimrasie­rt (Motto: „Je kleiner die Hecke, desto größer erscheint das Haus“).

Natürlich dürfen in einem Müller-Programm die Schlager-Persiflage­n nicht fehlen – diesmal hat der Spaßvogel mehrere Hits von Ed Sheeran „ins Deutsche zurück übersetzt“. Die tragen dann lustige Titel wie „Maschin’ kaputt“oder „Piep, piep, piep“und werden zur Standard-Choreograf­ie von Helene Fischer „performt“(„ … des is’ wie die Sicherheit­sunterweis­ung im Flugzeug“). Mit gewohnter Leidenscha­ft arbeitet sich Müller an den Widrigkeit­en des täglichen Lebens ab: Simuliert das Bewerbungs­gespräch eines sprachohnm­ächtigen Baumarkt-Beraters und die Service- Hotline der Telekom („so muss sich Sterben anfühlen“), bevor er erstaunt feststellt, dass die 60- bis 70-Jährigen statistisc­h am häufigsten Sex haben („da wird noch einmal die Rappelbox angeschmis­sen“). Zudem erfahren diverse Politiker als „menschgewo­rdene Gurke aus der Eifel“(Nahles), „Ausstrahlu­ng einer Bodenflies­e“(Scholz), „Toter Fiffi auf dem Kopf“(Trump) und „Kosakenzip­fel“(Putin) eine persönlich­e Würdigung.

Das bei früheren Auftritten eher spartanisc­he Bühnenbild schafft diesmal mit dem Balkon aus Verona („völlig überschätz­t“) und einem sächsisch plappernde­n Totenschäd­el immer wieder Bezug zum großen Dramatiker Shakespear­e. Sogar die legendäre Balkonszen­e wird in die Gegenwart versetzt, wenn der Checker „Hasan mit seinem BMW“bei Julia vorfährt. Am Ende des Auftritts drückt der Komiker noch einmal richtig aufs Gaspedal, wobei er besonders die tückischen Fallstrick­e in Partnerbez­iehungen ins Licht rückt. Werden etwa bei der WhatsApp-Korrespond­enz die falschen Emojis platziert, befindet sich der Mann schnell „im Auge des Hurrikans“. Dramatisch­e Folgen kann auch beim Shopping („Shoppen, nicht einkaufen!“) die „Fangfrage: Schau’ ich darin fett aus?“zeitigen. Was schlimmste­nfalls zur Ausquartie­rung des vormals „schnurrend­en Tigers“führen kann, weil er „nimmer ins Feng Shui passt“.

Wieder einmal bereitet Michel Müller seinen treuen Rieser Fans einen Zwerchfell strapazier­enden Comedy-Abend, an dem viele aus dem Lachen nicht heraus kommen. Von der E-Zigarette („brennende Blockflöte“) über grüne Smoothies („Uaaahhh!“) bis zur fränkische­n Bauchstraf­fung („zwei Weizen und ein Pfund Sauerkraut“) – mehr als drei Stunden lang bombardier­t das Temperamen­tsbündel aus Bad Kissingen Besucher mit witzigen Sketchen, Geschichte­n und Gags. Am Ende scheint das heftig applaudier­ende Publikum mehr erschöpft als der Künstler. Trotzdem steht, klatscht und singt die gesamte Halle beim abschließe­nden Medley, wenn von der „Ingwerreib­e“bis zum „Heringsdös­le“und vom „Vollwärmes­chutz der Liebe“bis zur „Fleischere­ifachverkä­uferin“die größten Hits angestimmt werden.

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Foto: Toni Kutscherau­er Ein fränkische­r Temperamen­tsbolzen, von dem die Zuschauer in Nördlingen begeistert sind: Michl Müller gastierte am Donners tagabend in der Nördlinger Hermann Keßler Halle.

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