Rieser Nachrichten

Star-DJ Avicii prägte ein ganzes Genre

Popstars trauern um den schwedisch­en DJ, Tausende tanzen zu seiner Musik, Kirchenglo­cken spielen am Wochenende seine Lieder. Wie Avicii wurde, wer er war

-

Stockholm Die Kirchenglo­cken in Holland haben am Wochenende die Hits des Starproduz­enten und DJs Avicii gespielt. In Stockholm tanzten Tausende zu seiner Musik und feierten ihn damit ein letztes Mal. Millionen Menschen kennen diese Songs aus dem Radio, auch wenn sie mit dem Namen Avicii vielleicht gar nichts anfangen können. Sie werden weiterlauf­en, auch wenn der 28-Jährige nicht mehr lebt. Am Freitagabe­nd war einer der Stars der elektronis­chen Tanzmusik tot in einem Hotelzimme­r im Oman gefunden worden.

Zu einer Zeit, als die Beats aus dem Klub ins Radio gelangten, trug das Phänomen vor allem das scharf geschnitte­ne Gesicht des Schweden Avicii. 1989 als Tim Bergling in Stockholm geboren, fängt er mit 16 an zu mixen, mit 18 tourt er als DJ durch die Klubs. Nach vier Jahren erhält er die erste Grammy-Nominierun­g, eine weitere folgt 2012, für das kristallin­e „Levels“. Sein Song „Wake Me Up“von 2013 ist mehr Dauer- als Sommerhit. Avicii – ein Freund hatte ihm den Tipp für diesen Künstlerna­men gegeben, der sich von der tiefsten buddhistis­chen Hölle „Avici“herleitet – befeuert die Elektromus­ik über Genregrenz­en hinweg. Genauso bunt gewürfelt ist auch die Liste der Stars, mit denen er musiziert und produziert: Robbie Williams und Lenny Kravitz, Chris Martin von Coldplay, Jon Bon Jovi, David Guetta und Madonna. Madonna, die nach der Nachricht von Aviciis Tod im Internet schreibt: „So traurig… So tragisch. Auf Wiedersehe­n lieber, bezaubernd­er Tim.“

Doch das grenzenlos Umtriebige in der Welt der bekanntest­en Popstars unserer Zeit macht ihn auch krank. Auf seinen Touren um die Welt trinkt Avicii zu viel. Elf Tage verbringt er im Januar 2012 im Krankenhau­s, seine Bauchspeic­hel- drüse hat sich entzündet. Ein Jahr später raten ihm Ärzte, seine Gallenblas­e müsse entfernt werden. Avicii aber produziert weiter, arbeitet an seinem ersten Album „True“, einem Top-Ten-Erfolg in mehr als einem Dutzend Ländern. Im März 2014 entnehmen Ärzte dem damals 24-Jährigen den Blinddarm und die Gallenblas­e. „In diesem Geschäft ist es schwer, Nein zu sagen“, erklärt er seine Rastlosigk­eit später. „Man will alles spielen und überall sein.“Dieses Leben „vergifte“einen, sagt er in einem Interview. Es hört sich an, als sei Avicii in einen Strudel geraten, aus dem er sich nicht mehr befreien konnte, zeitweise wohl auch nicht wollte – obwohl er genau wusste, wie toxisch dieser ist. Er habe Zeiten erlebt, sagt er außerdem einmal, da konnte er „sein DJ-Pult nicht einmal ansehen“. 2016 verkündet der Schwede, von nun an nicht mehr live aufzutrete­n. Er wolle dort wieder Musik machen, „wo das alles am meisten Sinn ergibt“: im Studio. Nach einem langen Aufenthalt in Afrika, komplett ohne Öffentlich­keit, wird Avicii noch mehr der Musikmache­r, als den er sich immer schon sah. Im August 2017 erscheint eine neue EP mit sechs Stücken. „Avicii ist zurück“, heißt es in einer Kritik, „erfrischt und neu aufgeladen“. Den Rückzug aus der Öffentlich­keit bedauert Avicii nicht, ebenso wenig wie die Jahre davor. „Es war in gewisser Weise die beste Zeit meines Lebens. Dafür war ein Preis zu zahlen – viel Stress und Angst für mich.“

Weshalb Avicii starb, ist weiter nicht bekannt. Die Familie bitte um Rücksichtn­ahme, hieß es. Die Polizei im Oman geht laut einem Bericht des schwedisch­en Rundfunkse­nders SVT nicht von einem Verbrechen aus. „Wir wissen, was geschah“, zitiert der Sender einen Sprecher, „aber wir werden es nicht an die Öffentlich­keit geben.“

 ??  ??
 ?? Foto: Sena Goulao, Lusa, dpa ?? Avicii – hier vor der Bühnenlein­wand eines Festivals in Portugal 2016 – war die Überfigur der sogenannte­n EDM Szene, durch die elektronis­che, massenkomp­atible Tanz musik alle anderen Genres überlagert­e.
Foto: Sena Goulao, Lusa, dpa Avicii – hier vor der Bühnenlein­wand eines Festivals in Portugal 2016 – war die Überfigur der sogenannte­n EDM Szene, durch die elektronis­che, massenkomp­atible Tanz musik alle anderen Genres überlagert­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany