Ein Kader der Marke: Sicher geht vor
Joachim Löw hat versucht, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren. Die außergewöhnlich große Zahl hervorragender Kicker ermöglichte es dem Bundestrainer, nicht zu sehr auf seine Fähigkeiten als Leistungs-Beschleuniger vertrauen zu müssen. Er hat darauf verzichtet, Mario Götze und André Schürrle für die Weltmeisterschaft zu nominieren. Der eine schoss Deutschland vor vier Jahren zum Titel, der andere bereitete das Tor vor. Doch die Zeit der ewig währenden Dankbarkeit ist im Kreise der Nationalmannschaft vorbei. Vor zwei Jahren nahm Löw noch sowohl Bastian Schweinsteiger als auch Lukas Podolski zu Europameisterschaft mit. Eine Entscheidung, die nicht im Leistungsstand der beiden begründet war. Der Trainer sah auch deren Bedeutung für das mannschaftliche Binnenklima und traute sich zu, sie in Form zu bringen. Das gelang zumindest teilweise. Dieses Wagnis muss Löw diesmal nicht eingehen. Götze und Schürrle sind für die Stimmung innerhalb des Teams nicht von Bedeutung. Was noch schwerer wiegt: Sie haben eine schlechte Saison gespielt. Freunde gepflegten Fußballs schmerzt es, wenn sie an das brachliegende Talent Götzes denken. Löw aber ist nicht darauf angewiesen, auf eine Leistungsexplosion zu hoffen. Mit Leroy Sané, Marco Reus, Julian Brandt, Mesut Özil, Thomas Müller, Timo Werner und Mario Gomez hat Löw etliche Spieler mit Spezialbegabungen in seinem Kader.
Der Vielfältigkeit ist letztlich Sandro Wagner zum Opfer gefallen. Aus dem Zweikampf der wuchtigen Stürmer mit Gomez ist er als Verlierer hervorgegangen. Statt sich die beiden im Trainingslager duellieren zu lassen, berief Löw Nils Petersen. Den zeichnet unter anderem aus, dass er bei Einwechslungen sofort auf Betriebstemperatur läuft. Dass er es am Ende in den 23er-Kader schafft, ist allerdings unwahrscheinlich. Gleiches gilt für Jonathan Tah. Sechs Innenverteidiger hat Löw berufen. Auch hier: kein Risiko. Falls Jerome Boateng nicht rechtzeitig fit wird, hat der Trainer genug Auswahl. Ansonsten kann sich Tah die WM wohl im Urlaub anschauen. Das gilt auch für einen der vier Torhüter. Einzig Marc-André ter Stegen kann sich seines Russland-Aufenthalts sicher sein. Ob Manuel Neuer wirklich noch rechtzeitig fit wird, ist vollkommen offen. Was für ein Luxus für Löw, dass diese Frage nicht von entscheidender Bedeutung ist.