Aufgebot
In dem Jahr, als das öffentliche Aufgebot in Deutschland abgeschafft wurde, gehörten Männer wie Babbel und Ziege, Thon und Tarnat zum deutschen Aufgebot. 1998, WM in Frankreich. Benannt hatte das Aufgebot Berti Vogts, der Bundestrainer. Nicht Jogi Löw? Nein, nicht Jogi Löw. Der trainiert die Nationalelf zwar schon ewig, doch begann diese Ewigkeit irgendwann nach 1998, wie so manche Ehe, die einfach hält.
Aufgebot abgeschafft und trotzdem WM? Verrücktes Jahr, dieses 1998. Jogi Löw war schon zwölf Jahre verheiratet und Sandro Wagner zehn Jahre alt, als in der Bundesrepublik die uralte Vorschrift aufgegeben wurde, wonach Ehewillige beim Standesamt das Aufgebot zu bestellen hatten. Könnte ja ein Ehehindernis geben. Während Frankreich in Frankreich Weltmeister wurde, genügte bei uns von nun an – moderne Melderegister und Datenabgleich hatten längst die Bedeutung des Aushangs ausgehebelt – eine „Anmeldung zur Ehe“.
Dieses behördliche Ende des Aufgebots bedeutete jedoch mitnichten dessen Aufgabe. Alle vier Jahre wartet Deutschland darauf, dass der Bundestrainer sein „vorläufiges Aufgebot“benennt für eine zu spielende WM. Jetzt war es wieder soweit. 27 Spieler, die allerdings noch nicht das letzte Aufgebot darstellen, sondern nur ein vorläufiges Aufgebot. Denn vier werden noch gestrichen, ausgebootet aus dem Star-Aufgebot. Die Bekanntgabe des Aufgebots ist für manche Spieler eine ähnliche Überraschung, wie es einst jene gewesen sein muss, als Bräutigam zu erfahren, dass die Braut schon verheiratet ist – mit einem anderen. Man wird das künftig den Sandro-Wagner-Effekt oder die Götze-Kröte nennen.
Nicht zum Reisekader zu gehören, das war schon in der DDR bitter. Wie schwer aber muss den Fallengelassenen Joseph von Eichendorffs Gedicht „Aufgebot“aufs Gemüt schlagen. In einem der ersten deutschen Fußballverse heißt es zum juchzenden Aufbruch ins Trainingslager: „Ins Grün ziehn Sänger, Reiter/ Ein jeglich Herz wird weiter.“Wer da zurückbleibt, ist wahrhaftig ein armer Tor.