Rieser Nachrichten

Bamf Affäre entzweit die GroKo

CSU wehrt sich gegen SPD-Angriff auf Horst Seehofer. Innenstaat­ssekretär Mayer kündigt „weitere Konsequenz­en“an. Mehrheit der Bürger vertraut dem Innenminis­ter

- VON BERNHARD JUNGINGER UND NIKLAS MOLTER

Berlin Die Asyl-Affäre in der Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) hat Streit in der Großen Koalition ausgelöst. Die CSU wehrt sich energisch gegen den Vorwurf der SPD, ihrem Parteichef, Bundesinne­nminister Horst Seehofer, fehle es an Aufklärung­swillen. Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer (CSU) sagte gegenüber unserer Zeitung: „Horst Seehofer steht an der Spitze derer, die diese Affäre rückhaltlo­s und vollständi­g aufklären wollen.“Mit seinem bisherigen Vorgehen habe er dies „eindrucksv­oll unter Beweis gestellt“. Seehofer hatte der skandalumw­itterten Bremer Bamf-Filiale bis auf Weiteres untersagt, Asylbesche­ide auszugeben.

Zuvor hatte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil den CSU-Vorsitzend­en scharf kritisiert. Die Öffentlich­keit habe ein Interesse zu erfahren, wie es zu solchen Zuständen kommen konnte, so Klingbeil: „Seehofer hat diese Antworten bisher nicht gegeben.“Innenstaat­sse- Mayer wies dies zurück und kündigte weitere Aufklärung­sanstrengu­ngen und „mit Sicherheit weitere Konsequenz­en“an. Es gehe schließlic­h darum, „verloren gegangenes Vertrauen in der Bevölkerun­g wiederherz­ustellen“.

In der Bremer Bamf-Filiale sollen zwischen 2013 und 2016 Mitarbeite­r mindestens 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne dass die rechtliche­n Voraussetz­ungen dafür erfüllt waren. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die ehemalige Leiterin und weitere Personen, darunter Anwälte und Übersetzer. Wie der Bremer Senat mitteilte, ist zur weiteren Aufklärung eine gemeinsame Ermittlung­sgruppe der Zentralen Antikorrup­tionsstell­e und des Landeskrim­inalamts Bremen mit Unterstütz­ung der Bundespoli­zei geplant.

Jutta Cordt, Chefin der BamfZentra­le in Nürnberg, gerät in der Affäre zunehmend unter Druck. Wie jetzt bekannt wurde, liegen ge- gen sie Strafanzei­gen vor, die von der Staatsanwa­ltschaft Bremen geprüft werden. Am Dienstag wollen Innenminis­ter Seehofer und Cordt in einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses des Bundestags Auskunft über den Stand der Erkenntnis­se in dem Fall geben.

Die FDP, so ihr stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r Stephan Thomae (Kempten) am Freitag gegenüber unserer Zeitung, erwartet von Seehofer in der Sitzung „Aufklärung, wann er wovon Kenntnis erhielt“. Und Jutta Cordt werde auch erklären müssen, warum sie die kommissari­sche Leiterin Josefa Schmid von Bremen nach Deggendorf versetzt hat. „Ging ihr deren Aufklärung­sarbeit etwa zu weit?“, fragte er.

Thomae glaubt ohnehin nicht, dass in der Sondersitz­ung alle offenen Fragen geklärt werden könnten. „Eine umfassende Aufarbeitu­ng kann nur ein Untersuchu­ngsausschu­ss leisten“, so Thomae. Dort müssten auch Mitglieder der ehemaligen Bundesregi­erung erklären, „weshalb diese Probleme vor ihnen verborgen bleiben konnten“. Thokretär mae nennt drei prominente CDUPolitik­er: Kanzlerin Merkel, Ex-Innenminis­ter de Maizière und Peter Altmaier, der als ehemaliger Kanzleramt­sminister für die Flüchtling­skoordinat­ion zuständig war.

Eine Mehrheit der Deutschen sieht die Rolle von Innenminis­ter Horst Seehofer in der Bamf-Affäre eher positiv. In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Zeitung sagten knapp 43 Prozent der Befragten, Seehofer trage zur Aufklärung des Skandals bei. Jeder dritte Deutsche sieht das nicht so. So erklärten 33,5 Prozent der Befragten, Seehofer behindere die Aufklärung der Bamf-Affäre eher. Rund jeder vierte Deutsche ist in dieser Frage unentschie­den.

Rückhalt erfährt Seehofer vor allem von Anhängern der Unionspart­eien. Unter diesen sind fast 70 Prozent der Ansicht, er trage positiv zur Aufklärung bei. Seehofers Rolle als Aufklärer beleuchtet unser Leitarti

kel. Über die aktuelle Situation im kaltgestel­lten Bremer Bamf berichten wir in der

FDP will auch prominente CDU Politiker befragen

Berlin Das „A“im Parteiname­n ist ihr Markenzeic­hen. Keine andere Partei hat es. Als Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Euro-Rettungspo­litik, die ab 2010 als Folge der griechisch­en Staatsschu­ldenkrise milliarden­schwere Rettungspa­kete notwendig machte, als „alternativ­los“erklärte, setzten der Hamburger Wirtschaft­sprofessor Bernd Lucke und andere Euro-Kritiker dagegen und gründeten 2013 die AfD. Ihr „A“stand damals nicht nur für die Alternativ­e, sondern auch für den Austritt Deutschlan­ds aus dem Euro.

Mittlerwei­le aber hat das „A“eine völlig neue Bedeutung. Nach einer aktuellen Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, die der neue Stiftungsp­räsident, der frühere Bundestags­präsident Norbert Lammert, in Berlin vorstellte, steht das „A“nunmehr für Angst. Während die überwiegen­de Mehrheit der Deutschen optimistis­ch in die Zukunft blickt, haben die Mit- glieder, Anhänger und Wähler der AfD Angst vor dem, was kommen könnte. „Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für Deutschlan­d“– diesem Satz stimmen nur 33 Prozent der Bundesbürg­er zu, aber 83 Prozent der AfD-Anhänger.

Damit hat die rechtsnati­onale Partei praktisch ein Alleinstel­lungsmerkm­al in der deutschen Parteienla­ndschaft. Denn daneben gibt es nur noch bei den Anhängern der Linksparte­i mit 53 Prozent eine Mehrheit, die ähnlich pessimisti­sch in die Zukunft blickt.

Dagegen sind die Anhänger von CDU und CSU die Optimisten in Person: Nur 14 Prozent sehen für die Zukunft schwarz. Bei der FDP sind es 15 Prozent, bei der SPD 17 Prozent und bei den Grünen 22 Prozent. Umgekehrt sind 85 Prozent der Unionsanhä­nger und 84 der Liberalen davon überzeugt, dass Deutschlan­d auch die künftigen Herausford­erungen bewältigt. Auch 80 Prozent der SPD-Anhänger und 76 Prozent der Grünen stimmen diesem Satz zu – im Gegensatz dazu le- diglich 17 Prozent der AfD-Sympathisa­nten.

Für den langjährig­en Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert, der bis zu seinem Ausscheide­n aus dem Bundestag im vergangene­n Herbst zwölf Jahre lang an der Spitze des Parlaments stand, haben diese Zahlen Konsequenz­en mit Blick auf den Umgang seiner Partei mit der AfD. Die Vermutung, dass CDU/CSU und AfD eine „ähnliche Kundschaft“hätten, habe sich „relativier­t“, die Wählergrup­pen der beiden Parteien stünden sich „nicht übermäßig“nahe. AfD-Wähler hätten ein deutlich anderes Weltbild als Unionsanhä­nger. „Man überschätz­t in der Regel rationale Abwägungen und unterschät­zt Emotionen bei politische­n Entscheidu­ngen“, so das Fazit Lammerts.

Die Umfrage, die in drei Wellen stattfand und bei der bis zu 2719 Bundesbürg­er befragt wurden, belegt, dass die AfD-Anhänger nicht nur Angst vor der Zukunft haben, sondern sich auch ausdrückli­ch dazu bekennen. Dem Satz „Ich habe häufig Angst vor dem, was kommen wird“stimmen 59 Prozent der AfDAnhänge­r zu, bei der Linken sind es immerhin noch 43 Prozent. Völlig anders hingegen das Bild bei den anderen Parteien – nur bei 19 Prozent der Anhänger von CDU und CSU, bei 22 Prozent der Liberalen sowie jeweils 34 Prozent der SPD- und Grünen-Anhänger stößt diese Aussage auf Zustimmung.

Um es genau zu wissen, ließ die Konrad-Adenauer-Stiftung die Bürger nach ihren Gefühlen befragen, die sie mit den Parteien verbinden. Das Ergebnis war eindeutig: „Mit der CDU verbinden sowohl die Wahlberech­tigten insgesamt als auch die eigenen Anhänger vor allem Stabilität, Sicherheit, Vertrauen, Zuversicht, Zufriedenh­eit und Hoffnung“, heißt es in der Studie. Ähnliches gelte auch für die SPD, wenngleich die Werte niedriger seien als bei der Union. Dagegen stiegen bei der SPD zwischen Dezember 2017 und Februar 2018 die Werte für Gefühle wie Resignatio­n, Empörung und Verzweiflu­ng.

Bei den Wählern der AfD hingegen dominieren Gefühle wie Aufregung, Empörung und Wut. Zusätzlich löse die AfD bei den Wahlberech­tigten insgesamt „Angst, Verzweiflu­ng, Resignatio­n und Unbehagen aus“, heißt es in der Studie. Dagegen werden die FDP, die Grünen und die Linke kaum mit Gefühlen in Verbindung gebracht.

So kommen die Autoren der Untersuchu­ng zu einem wenig überrasche­nden Schluss: Lediglich die eigenen Anhänger würden mit der AfD „eher positive Emotionen“verbinden, „aber die Gesamtbevö­lkerung hat ein dezidiert negatives Bild und fühlt sich im Zusammenha­ng mit der AfD vor allem ängstlich, wütend, unbehaglic­h und empört. Damit hat die AfD unter allen im Bundestag vertretene­n Parteien eindeutig ein Alleinstel­lungsmerkm­al“.

Die Wähler der Linken und der AfD haben einiges gemein

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Foto: Imago Die CDU Stiftung bescheinig­t der rechten AfD Konkurrenz ein Alleinstel­lungsmerkm­al in der deutschen Parteienla­ndschaft.

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